: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Künftig regiert uns die große Koalition der Bewahrung: Merkels neoliberales Coming-out findet nicht statt, die SPD wird die Gunst der Stunde nicht nutzen, keine Lobbys überfahren und keine Besitzstandswahrer in die Pflicht rufen
taz: Was war schlecht in der letzten Woche?
Friedrich Küppersbusch: Angela Merkel nicht vorbereitet auf SPD-Ministerriege.
Was wird besser in dieser?
Wir nicht vorbereitet auf Merkels Ministerriege.
Schröder ist seit letzter Woche eine Figur der Zeitgeschichte. Ein kurzer politischer Nachruf würde lauten …?
Er kam zu spät rein und wollte zu früh raus.
Steinbrück, Müntefering und Steinmeier sind die neuen Schlüsselfiguren der SPD in der Regierung. Können die das? Oder wäre eine entschlossene Verjüngung besser gewesen?
Wie hieße die Frage, wenn Müntefering mit guten Argumenten an Schily, Clement, Struck festgehalten hätte? Da die SPD über kaum mehr Landesregierungen verfügt, in denen die nächste Generation sich profilieren und erweisen könnte, übt nun die übernächste im Job. Ohne Personal für eine Nach-Merkel-Ära wäre diese Regierungsbeteiligung reine Steigbügelhalterei. Allerdings sehe ich hier noch niemanden, der à la Schröder an Charisma wettmacht, was Merkel an Schläue zu bieten hat.
Die Sozialdemokraten rühmen sich bislang, dass sie üble soziale Schandtaten wie die Streichung der steuerfreien Sonntagszuschläge in der großen Koalition mit der Union verhindern können. Aber wo bleibt das Positive?
Ja eben. Sehe ich am ehesten in der außenpolitischen Bevorratung mit Schröders „Risiken ja, Abenteuer nein“. Ansonsten ist es eine Mühle-auf-und-zu-Koalition der Bewahrung: Weder kann Merkel ihr neoliberales Coming-out vollziehen, noch hätte die SPD Konzepte vorzuweisen, die die Gunst der Stunde nutzten: Lobbys überfahren, Besitzstandswahrer in die Pflicht rufen. Beide Seiten werden mit starrem Blick auf die Umfragewerte stets Ausstiegsszenarien mitdenken.
Wird diese große Koalition vier Jahre halten? Oder was muss geschehen, damit sie hält?
Ein Projekt müsste her! Nach den Zeichen der Zeit wäre dies der Umbau des paritätischen in ein steuerfinanziertes Sozialsystem. Dazu müsste die SPD sich entschlossen skandinavisieren, die Union ihre Idee als parlamentarischer Arm der christlichen Soziallehre modernisieren. Stattdessen rudert ratlos ein Teil Thatcheristen, den Anker auf Grund schleifend – und ein anderer Teil Sozialwahrer hält bei so viel Ungewissheit am Hergebrachten und Scheiternden fest. Also ist dies Bündnis die Vorgruppe für denjenigen, der gedanklich schneller fertig ist. Und dann allein in eine der beiden Richtungen weitermarschieren wird.
Kaum war Merkel zur Kanzlerin erkoren, wurde schon ihre Richtlinienkompetenz in Frage gestellt. Zu Recht, weil es in einer großen Koalition, remember Kiesinger, so etwas nicht gibt? Oder war da mal wieder das finstere Patriarchat am Werke?
So ganz allmählich müssten die Jungs doch lernen, dass sie Merkel keinen größeren Gefallen tun können, als sie immer wieder neu zu unterschätzen. CSU via Stoiber eingebunden, alle Rote-Zahlen-Ressorts den Sozis aufgedrückt, alle Weichen gestellt in Richtung „Mann, bei dem Gewurstel hätten wir schon lieber Merkel pur“. Spätestens das Schicksal Schröders führte jedem noch mal die mittlere Lebenserwartung von Männern vor Augen, die Merkels Weg kreuzen: Hirsch, Dorsch, Arsch.
Am Wahlabend hat Merkel nicht geweint, als sie Kanzlerin wurde, sich nicht ausreichend gefreut, so die Meinung vieler. Kann es sein, dass die fortwährende öffentliche Sorge um Merkels Gemütszustand am Wesentlichen glatt vorbei geht – nämlich dass sie eine zielstrebige, ehrgeizige, taktisch versierte Machtpolitikerin ist, die ihresgleichen sucht?
Schröder hat sich gerade mit dem satten Gegenteil – offensiver Gefühligkeit – selbst erlegt. Die SPD kann schon mal die Fahndung eröffnen nach einem Antagonisten, der Merkels Zielstrebigkeit mit anderem Aroma als dem der Machtmaschine verbindet. Hat Frau Simonis ne Tochter?
Und was macht Borussia Dortmund? Wie ertragen wir es, dass das Westfalenstadion demnächst Signal Iduna Park heißt?
Die sind so doof ! Für „Das Westfalenstadion – präsentiert von der xy-Versicherung“ hätten die Fans jede noch so absurde Police aus reiner Dankbarkeit bezahlt. So haben Sie’s hingekriegt, sich fürs gleiche Geld einen soliden Heuschreckenstatus zu kaufen.FRAGEN: SR