: Anwälte beklagen „Überlänge“ des Mammutverfahrens
Streit über Urteilsfindung bei Schreiber-Prozessen um Waffenlieferungen und Bestechung in den 90er-Jahren. Verfahren dauern schon eine Dekade
AUGSBURG taz/rtr/dpa ■Alles von vorne, aber mit neu gemischten Karten: Am Landgericht Augsburg gehen zwei Prozesse rund um Karlheinz Schreibers Verfahren in die Revision. Seit gestern stehen die beiden Thyssen-Manager Winfried Haastert und Jürgen Maßmann zum zweiten Mal vor dem Kadi – aber nicht mehr lange, wenn es nach ihnen geht: Ihre Anwälte fordern die Einstellung des Verfahrens.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte ihre Verurteilung aus dem Jahr 2002 zu Teilen wieder aufgehoben und den Fall im letzten November zur Neuauflage nach Augsburg zurückverwiesen. Die beiden Manager sollen für Panzergeschäfte mit Saudi-Arabien Schmiergelder vom Waffenlobbyisten Schreiber bekommen haben; ihnen wird Untreue und Steuerhinterziehung vorgeworfen. Erstinstanzlich wurde Haastert zu zwei Jahren und vier Monaten verurteilt – er soll knapp 770.000 Euro angenommen haben. Maßmann soll 5,62 Millionen Euro erhalten haben, dafür gab’s fünf Jahre Haft.
Das BGH sah ein Treuhandverhältnis der beiden Manager zu Schreiber nicht als erwiesen an. Zwar ist auch in den Augen der Bundesrichter Geld geflossen, für das Strafmaß dürften aber nur die Gelder bewertet werden, die die beiden Angeklagten tatsächlich erhalten hätten.
Nach Ansicht der Verteidiger ist inzwischen aber die Verfahrens-Schmerzgrenze erreicht. In einem Antrag forderten sie gestern die Einstellung wegen „unzumutbarer Überlänge“, schließlich laufe der Prozess bereits seit über 10 Jahren. In einem zweiten Antrag fordern die Anwälte, die BGH-Entscheidung in Sachen „Max Strauß“ heranzuziehen.
Dessen Urteil war am Wochenende vom Obersten Gericht aufgehoben worden. Auch Strauß soll von Schreiber Geld für Waffenlieferungen bekommen haben – er war vom Augsburger Landgericht im letzten Sommer zu 3 Jahren und 3 Monaten Haft verurteilt worden. Doch der BGH kritisierte nicht nur die Strafbemessung, sondern auch den Schuldspruch an sich. Die Erwägungen des Landgerichts seien „lückenhaft“ gewesen und beruhten „nicht mehr auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage“; statt des tatsächlichen Geldflusses seien für die Richter nur die Buchungen auf das Treuhandkonto entscheidend gewesen. Ob Max Strauß wirklich Zugriff auf den Schmiergeldbetrag von 5,2 Millionen Mark gehabt habe, sei unklar.
Aussagen bei der Revision gegen die Thyssen-Manager soll übrigens mit Holger Pfahls ein vierter „Schmierfink“, der erst im August ebenfalls wegen Schmiergeldzahlungen verurteilt worden war und dabei als erster Angeklagter ein Treuhandverhältnis mit Schreiber zugegeben hatte.
Für das Gericht bedeutet Pfahls Aussage eine wesentliche Stärkung: „Seine Aussage könnte von entscheidender Bedeutung sein“, so Sprecher Haeusler. Schreiber selbst lässt es sich übrigens weiterhin in Kanada gut gehen. Er hat sich durch Flucht einem Verfahren entzogen. Ihm wird Bestechung im Zusammenhang mit zahlreichen Waffenlieferungen in den 90er-Jahren vorgeworfen. MAX HÄGLER