Diese Leere, diese Weite in der Stadt

FREIES TEMPELHOFER FELD

Die Debatte verspricht Hochspannung

Dann schweift der Blick über die einstige Landebahn und hebt langsam ab über die Dächer des Schillerkiezes, kreist in Richtung Kreuzberg, streift einige Kirchtürme und den Alex und verliert sich schließlich weit oben am Himmel: So vielleicht haben die Piloten früher den Abflug von Tempelhof erlebt. Jetzt ist dieses Vergnügen den Vögeln vorbehalten. Und den Menschen, die nun hier spazieren, meditieren, Ausschau halten.

Es ist diese Leere, die Weite, mitten in der Stadt, die für viele die Faszination des Tempelhofer Parks ausmacht. Genau die sieht die Initiative 100 Prozent Tempelhofer Feld bedroht, weil der Senat plant, rund 5.000 Wohnungen am Feldrand zu bauen. Am Mittwoch hat die Initiative damit begonnen, Unterschriften zu sammeln. Erst mal nur 20.000 – das reicht für die erste Stufe. Dass sie die zusammenbekommen, bezweifelt niemand. Dass der Senat einlenkt, daran glaubt aber auch keiner. Und, so wünschen es sich die Aktivisten, könnte am Tag der Bundestagswahl Ende September in einem Volksentscheid auch über die Zukunft des Felds abgestimmt werden.

Die Debatte vorab verspricht Hochspannung – gerade auch in den Kreisen, die sich mit den Folgen der Gentrifizierung auseinandersetzen. Denn genauso leergefegt wie das Tempelhofer Feld ist der Wohnungsmarkt. Um das zu verändern, will Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) eben jene 5.000 Wohnungen bauen. Der Wunsch und Wille, Freiräume für Kultur und alternative Szenen zu verteidigen, trifft auf die Hoffnung, nicht selbst wegen steigender Mieten so weit aus der Stadt gedrängt zu werden, dass einem diese Freiräume gar nichts mehr nutzen.

Die Initiative selbst traut dem Senator nicht. Sie glaubt, dass – wenn dann die ersten Häuser stehen – den Investoren immer weiter nachgegeben wird. Am Ende ist das Feld dicht, und die Mieten sind trotzdem gestiegen.

Es gibt auch Menschen, die das Tempelhofer Feld meiden – weil es so leer, so zugig, so struktur- und gestaltlos sei. Und die sich dringend wünschen, dass es sich verändert – ohne dass man dort gleichen wohnen muss.

Vielleicht existiert eine Lösung zwischen Weite und Enge. Nachdenken darüber könnte man auf dem Feld. BERT SCHULZ