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Archiv-Artikel

Mit der Kuchengabel in den Krieg

DIE LINKE WILL AUCH RÜSTEN

Kein wüster Fundi- Realo-Streit mit obligatorischem Sündenfall-Vorwurf

Zu den typischen Problemen von Sozialdemokraten gehört seit 150 Jahren, dass man die gute, gerechte Gesellschaft anstrebt, im Alltagsgeschäft allerdings mitunter anders handelt. Die Spannung zwischen lichter Zukunftsverheißung und grauem Sachzwang, zwischen Ideal und Tun ist der Grundkonflikt, der die Sozialdemokratie seit jeher antreibt und manchmal stilllegt. Die politische Rechte hat dieses Problem nicht – sie pflegt vielmehr ein grundentspanntes Verhältnis zum eigenen Wertekanon, und Doppelmoral gilt als lässliche Sünde.

Dass die Linkspartei eine typisch sozialdemokratische Partei ist, lässt sich derzeit in Potsdam studieren. Dort führen die Linken eine Dehnungsübung vor, die nicht schmerzfrei ist.

Der linke Wirtschaftsminister Ralf Christoffers hat den Umzug der Rüstungsfirma AC&S aus dem Schwäbischen nach Brandenburg unterstützt – nicht mit Subventionen, eher mit Wohlwollen. Das Ministerium war bei den Räumlichkeiten behilflich, Christoffers fand warme Worte, als die Firma aus dem prosperierenden Südwesten ins strukturschwache Wildau im Süden von Berlin umzog. Er sei ja für „Wertschöpfungsketten und Arbeitsplätze zuständig“, rechtfertigt sich der Minister. Die oppositionellen Grünen ätzen, dass es nicht geht, „sich auf Parteitagen als Gralshüter des Pazifismus aufzuspielen“ und dann die Ansiedlung eines Rüstungsunternehmens zu feiern. Das leuchtet ein – auch wenn die Grünen, die früher mal den Posten Gralshüter des Pazifismus innehatten, mit solchen Angriffen auch eigene Wunden versorgen.

AC&S verdient Geld mit Pilotenausbildung für militärische genutzte Frachtflugzeuge und Infrarotsuchsysteme, aber auch und in steigendem Maße mit ziviler Luftfahrt. Christoffers hat mittlerweile den geordneten rhetorischen Rückzug Richtung Zerknirschung angetreten. Auch ihm gehe es „dabei nicht gut“.

Es stimmt: Der Südwesten ist der Hort heimeliger schwarz-grün gefärbter Neubürgerlichkeit – und rund um den Bodensee sorgen Dutzende von Waffenfirmen für sprudelnde Gewerbesteuern. Als skandalös wird dies, jenseits von antimilitaristischen Gruppen, dort eher nicht empfunden.

Auffällig ist, dass innerhalb der Linkspartei jetzt kein wüster Fundi-Realo-Streit mit obligatorischem Sündenfall-Vorwurf ausgebrochen ist. Die Kritik der linken Linken an Christoffers klingt ziemlich sachlich. Vielleicht erinnern sie sich daran, dass auch die Linksfraktion im Bundestag die Bundeswehr ja nicht abschaffen, sondern nur auf 125.000 Soldaten schrumpfen will. Und diese Bundeswehr, so ein Militärexperte der Partei, „kann ja nicht mit Kuchengabeln das Land verteidigen“. Will sagen: Wer eine Armee will, kann Rüstungsfirmen nicht per se verteufeln. STEFAN REINECKE