: Widerspruch lohnt sich
Schlechte Noten für Hartz IV bei „Stiftung Warentest“
Das ist gutes Timing: Der Hartz-IV-Report von Noch-Superminister Clement mit dem vielsagenden Titel „Vorrang für die Anständigen – Gegen Missbrauch, Abzocke und Selbstbedienung im Sozialstaat“ ist gerade ein paar Tage alt, da erscheint der Hartz-IV-Test von Stiftung Warentest – und entwirft eine völlig andere Sicht der Dinge. Laut neuem Finanztest sind die ersten neun Monate unter Hartz nicht, wie Clement gerne behauptet, geprägt von faulen, aber trickreichen Arbeitslosen, die sich skrupellos Geld von der Allgemeinheit ergaunern. Im Gegenteil! Glaubt man dem Test, heißt Hartz IV vielmehr Chaos bei den Ämtern, viel Fordern, wenig Fördern und jede Menge erfolgreiche Widersprüche.
Die Behörden sahen das Desaster offenbar kommen: Zweidrittel der 21 angefragten Arbeitsagenturen und -gemeinschaften weigerten sich laut Finanztest, den Fragebogen auszufüllen. Die Arbeitsgemeinschaft von Agentur und Sozialamt (ARGE) in Köln gehört ebenso dazu wie die Sozialagentur Mülheim/Ruhr. An dem Test sollte Köln als größte NRW-Stadt teilnehmen, und Mülheim, weil dort das Optionsmodell praktiziert wird – die Stadt also alleine für Hartz IV zuständig ist. Aber ARGE hin, Optionskommune her: Unter den 4.400 Arbeitslosen, die den online-Fragebogen ausfüllten, schnitten beide Modelle gleich schlecht ab.
Die Antworten der Arbeitslosen zeichnen ein trauriges Bild vom Stand der „Reformen“. Erstens: Die Behörden arbeiten lahm und schlampig. 45 Prozent der Umfrageteilnehmer mussten länger als vier Wochen auf die Bearbeitung ihres Antrags warten, bei mehr als 50 Prozent waren Unterlagen verschwunden. Zweitens: Beim Fördern sind die Behörden geizig und einfallslos. Nur 783 der 4.440 Befragten bekamen ein Qualifizierungs- oder Beschäftigungsangebot – meist ein Ein-Euro-Job. Ihren persönlichen Ansprechpartner haben Dreiviertel noch nie gesehen. Drittens: Wenn schon nicht gefördert wird, so geht das Fordern umso fixer. 17 Prozent wurden zum Umzug in eine günstigere Wohnung aufgefordert.
Ein Lichtblick für Arbeitslose: Widerspruch einlegen lohnt! Von den 1.427 Befragten, die ihrem Bescheid widersprochen haben, waren nur 20 Prozent erfolglos. Im Schnitt brachte ein erfolgreicher Widerspruch 127 Euro mehr in die Kasse. SUSANNE GANNOTT