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Archiv-Artikel

Rüttgers jagt Steuerhinterzieher

Wirtschaftskriminelle im Visier der Landesregierung: Das CDU-geführte Finanzministerium plant nach taz-Informationen die Einrichtung einer Zentralstelle zur Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug

AUS DÜSSELDORFANDREAS WYPUTTA

Gegen Wirtschaftskriminelle will Nordrhein-Westfalens neue Landesregierung künftig härter vorgehen: Nach taz-Informationen plant Landesfinanzminister Helmut Linssen die Schaffung einer neuen „Zentralstelle zur Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug“ mit Hauptsitz in Bonn. Außenstellen sollen in Bochum, Wuppertal und Münster errichtet werden.

Allein dem Land NRW entgehen durch Steuerhinterziehung jährlich Einnahmen in Milliardenhöhe. Die Deutsche Steuergewerkschaft warnt seit langem, den Finanzämtern fehle Personal, besonders so genannte Betriebsprüfer. Gerade die Steuererklärungen von Unternehmen würden deshalb nur mangelhaft kontrolliert. CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hatte daher bereits bei der Bilanz der ersten 100 Tage seiner Regierung angekündigt, im Rahmen des Bürokratieabbaus Personal zu Gunsten der Finanzverwaltung umschichten zu wollen. „Zunächst werden rund 120 Mitarbeiter versetzt“, bestätigt nun eine Mitarbeiterin der Staatskanzlei.

Besonders im Visier haben Rüttgers und sein Finanzminister Linssen das so genannte Umsatzsteuerkarussell (siehe Kasten): Eine Strohfirma verkauft Waren weiter, führt die fällige Umsatzsteuer aber nicht an das Finanzamt ab – und verschwindet prompt vom Markt. Am Ende der Handelskette exportiert ein anderes Unternehmen die Waren ins Ausland – und lässt sich die Umsatzsteuer zurückerstatten. Die Finanzämter aber erfahren von dem Betrug bestenfalls nur durch Stichproben. Regierungschef Rüttgers schätzt den jährlich entstehenden Schaden allein in NRW auf „einen hohen dreistelligen Millionenbetrag“. Deutschland sei „ein Dorado für organisierte Umsatzsteuerkriminalität“, warnte auch der Bundesrechnungshof noch im Mai.

Langfristig unterstützt NRW-Finanzminister Linssen deshalb einen Vorstoß seines rheinland-pfälzischen SPD-Kollegen Gernot Mittler: Der Sozialdemokrat schlägt vor, nur noch Endverbraucher zur Mehrwertsteuer zu verpflichten. Die Umsatzsteuer aber, die Lieferanten von Vorprodukten oder Zwischenhändler untereinander zahlen, fiele weg – und damit auch die Möglichkeit des Umsatzsteuerbetrugs. „Langfristig trägt der Minister diese Linie mit“, so ein Vertrauter Linssens zur taz.

Auch die Opposition stützt den Vorstoß der Regierung. „Wir fordern seit langem mehr Beamte für die Finanzverwaltung“, sagt der grüne Finanzpolitiker Rüdiger Sagel. „Ein zusätzlicher Beamter holt jährlich allein über 500.000 Euro herein.“ Auch ein Sprecher der SPD nannte die Pläne „grundsätzlich sinnvoll“.