: „Nach allen mir vorliegenden Informationen“
BERLIN taz | Der frühere Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) kämpft ums politische Überleben. Am Donnerstag wies er Vorwürfe zurück, Informationen über zivile Opfer zurückgehalten zu haben. „Ich habe von Anfang an und auch beispielsweise am 6. September klar gesagt, dass wir zivile Opfer nicht ausschließen können“, sagte Jung in Berlin. Tatsächlich blieb Jung noch am 6. September bei der Aussage, es lägen keine Informationen über getötete Zivilisten vor. Eine Chronologie:
4. September: Am Tag des Angriffs verteidigt Jung das Vorgehen der Bundeswehr. In der ARD erklärt er am Abend, die Taliban hätten mit Anschlägen auf die Bundeswehr gedroht. „Und deshalb war es eine sehr konkrete Gefahrenlage, wenn die Taliban in den Besitz von zwei Tanklastwagen gekommen sind, die hier erhebliche Gefahr für unsere Soldaten bedeutet haben.“
5. September: Jung weist Vorwürfe zurück, es seien auch Zivilisten getötet worden. „Nach allen mir zurzeit vorliegenden Informationen sind (…) ausschließlich terroristische Taliban getötet worden“, so Jung gegenüber der Bild am Sonntag. „In diesem Fall war der Schlag dringend geboten.“ Am selben Tag sagt US-General Stanley McChrystal der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: „Für mich ist es klar, dass es zivile Opfer gab.“
6. September: Ein Reporter der Washington Post berichtet von mindestens 125 Toten, darunter wenigstens zwei Dutzend Zivilisten. Jung weist die Darstellung zurück und verweist auf den Bericht des Gouverneurs in Kundus, der 56 Tote und 12 Verletzte ausweise. „Der Bericht sagt, dies seien Taliban“, so Jung zur dpa. Seinen Sprecher lässt er verkünden: „Wir haben weiterhin keine Erkenntnisse über getötete Zivilisten.“ Zugleich verteidigt Jung seine Informationspolitik: „Ich kann nur sagen, dass wir hier sachgerecht aufklären“, zitiert ihn die Nachrichtenagentur Reuters.
7. September: Am Montag rückt Jung erstmals von seiner Aussage ab, es habe keine zivilen Opfer gegeben. „Es erscheint eindeutig, dass der überwiegende Anteil Taliban gewesen sind“, sagt Jung dem ZDF. In Hamburg erklärt er später: „Ich habe gesagt, dass ich zivile Opfer nicht ausschließen kann“, verteidigte den Luftangriff aber wegen der „sehr akuten Bedrohungslage“ erneut.
8. September: Im Bundestag gibt Franz Josef Jung indirekt zu, dass auch Zivilisten getötet wurden. „Wenn es hier zivile Opfer gegeben hat, fordert das unsere Anteilnahme und unser Mitgefühl“, sagt er nach einer Regierungserklärung von Kanzlerin Angela Merkel.
10. September: Nachdem Jung den Luftangriff zuvor stets als angemessen bezeichnet hatte, äußert er sich beim Besuch der Marine in Kiel zurückhaltender. „Wir müssen erst mal abwarten, was die Untersuchungen ergeben“, so Jung. Erneut verteidigt er seine Informationspolitik. „Ich habe immer meinen Informationsstand so wiedergegeben, wie er damals aktuell war.“
PAUL WRUSCH