Weg frei für Schacht Konrad

ENTSCHEIDUNG Die Karlsruher Verfassungsrichter nehmen die Beschwerde eines Landwirts gegen das Atommüllendlager nicht an – und beenden damit den jahrelangen Streit

„Die Entscheidung ist ein Ansporn für neuen Protest“

JOCHEN STAY VON DER ORGANISATION „AUSGESTRAHLT“

KARLSRUHE/BERLIN dpa | Das Bundesverfassungsgericht hat den Weg für den Betrieb des Atommüllendlagers Schacht Konrad in Niedersachsen endgültig frei gemacht und damit massive Kritik der Grünen und von Atomkraftgegnern ausgelöst. In einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss nahmen die Karlsruher Richter die Verfassungsbeschwerde eines Landwirts aus der Umgebung der Schachtanlage nicht zur Entscheidung an. Die Vorschriften des Atomgesetzes über die Errichtung des Endlagers begegneten keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, hieß es in der Entscheidung.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderte daraufhin Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) auf, das Endlagerprojekt zu stoppen. „Eine so wichtige Entscheidung, die für Generationen gilt, darf nicht davon abhängen, ob ein Gericht eine Genehmigung bestätigt oder nicht“, hieß es in einer Stellungnahme.

Das Endlager in dem ehemaligen Eisenerzbergwerk bei Salzgitter soll 2013 in Betrieb gehen und bis zu 270.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktiver Abfälle aufnehmen – etwa kontaminierte Schutzkleidung, Werkzeuge oder Anlageteile. Hoch radioaktive Abfälle werden dort nicht eingelagert. Laut BUND sei es nur eine Frage der Zeit, wann der Atommüll mit Grundwasser in Berührung käme.

Nach den Worten des Gerichts stehen die einschlägigen Vorschriften nicht im Widerspruch zur staatlichen Schutzpflicht für das menschliche Leben und die körperliche Unversehrtheit – auch wenn sie ein gewisses „Restrisiko“ in Kauf nehmen würden. Denn vom Gesetzgeber absolute Sicherheit zu verlangen, würde jegliche Zulassung neuer Technik blockieren. Deshalb genüge es, wenn Risiken aus der Lagerung radioaktiver Technik nach dem Stand von Wissenschaft und Technik „praktisch ausgeschlossen“ seien, befand das Gericht und verwies auf seine Grundsatzentscheidung von 1978 (Az: 1 BvR 1178/07).

Der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin von den Grünen kritisierte, die Bürgerinnen und Bürger hätten einen „Anspruch auf eine höchstrichterliche Entscheidung gehabt“. Mehr Sicherheit für die Bürger forderte zudem der Fraktionschef der niedersächsischen Landtagsgrünen, Stefan Wenzel.

Den vielen Endlager-Gegnern blieb mit der Entscheidung erneut ein Erfolg versagt.

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hatte vor drei Jahren den Planfeststellungsbeschluss von 2002 gebilligt, das Bundesverwaltungsgericht hatte 2007 eine Revision nicht zugelassen. Eine Verfassungsbeschwerde der Stadt Salzgitter scheiterte 2008. Die Atomkraftgegner nahmen den erneuten Rückschlag verärgert zur Kenntnis. Die Entscheidung sei ein Ansporn für neuen Protest, sagte Jochen Stay, Sprecher der bundesweiten Anti-Atom-Organisation „Ausgestrahlt“.

In dem mehr als 1.000 Meter tiefen Stollen sollen 20 Tonnen schwere Container gestapelt, in bestimmten Abständen Betonwände eingezogen und die Hohlräume um die Container mit flüssigem Material aufgefüllt werden. Die Anwälte des Klägers hatten deshalb kritisiert, die Entscheidung zur Endlagerung sei unumkehrbar, womit künftigen Gesetzgebern die Hände gebunden seien. Aus Sicht der Karlsruher Verfassungsrichter zielt das Konzept dagegen gerade darauf ab, künftigen Generationen keine unzumutbaren Erblasten aufzuerlegen.

In den Stollen dürfen also jetzt 270.000 Kubikmeter Atommüll mit geringer Wärmeentwicklung entsorgt werden. Solcher schwach und mittel radioaktiver Abfall macht 95 Prozent des gesamten deutschen Atommülls aus. Er fällt in Kraftwerken und bei der Wiederaufarbeitung ebenso an wie in Forschungslabors, Kliniken oder in der Industrie.

In den 50er-Jahren waren zwei Schächte für das Bergwerk bis knapp 1.200 Meter in die Tiefe getrieben worden. 1965 wurde der Erzabbau begonnen, aber schon 1976 wieder eingestellt, da das Erz aus Niedersachsen international nicht konkurrenzfähig war. 1982 wurde der Antrag auf Bau und Genehmigung eines Atomendlagers gestellt. Während des Genehmigungsverfahrens machten knapp 300.000 Bürger schriftlich Einwände gegen die Pläne. Die Proteste dauern bis heute an.