DIE USA BEGREIFEN CHINAS ÖKONOMISCHE UND MILITÄRISCHE MACHT : Hausaufgaben für Rumsfeld
Kaum zu glauben, dass der US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld erst gestern zum ersten Mal China besucht hat. Es ist höchste Zeit, denn die Beziehungen zwischen den beiden Großmächten sind so schlecht wie lange nicht mehr. Natürlich hat China offiziell in keiner Weise angedeutet, die USA herausfordern zu wollen. Doch wird immer deutlicher, dass die Chinesen nicht nur wirtschaftlich ein Comeback feiern, sondern auch Machtpolitik dort betreiben wollen, wo sie meinen mitreden zu müssen: in Asien.
Das zeigte sich in diesem Sommer. China hatte – gemeinsam mit Russland – einige zentralasiatische Republiken dazu veranlasst, die USA mit ihren Militärstützpunkten hinauszukomplimentieren. Peking will damit der stets als Provokation verstandenen „Umzingelung“ durch die USA ein Ende bereiten. Als weiteres Signal wurde im Pentagon auch gedeutet, dass im August China und Russland zum ersten Mal in ihrer Geschichte ein gemeinsames Militärmanöver abhielten. Dabei kämpften die Nachbarn gegen eine fiktive dritte Macht, die selbstverständlich nicht USA hieß. Die Regierung Bush, die anfänglich gerne auch das Problem Nordkorea und seine trotzige Atompolitik mehr mit Peitsche denn mit Zuckerbrot ausräumen wollte, dann aber von China gebremst und an den Verhandlungstisch gesetzt wurde, muss mehr und mehr einsehen, dass ihr im asiatischen Raum eine ernsthafte Konkurrenz erwächst. Dabei geht es nicht mehr nur um Billigprodukte „Made in China“, sondern neuerdings um eine Macht mit dem drittgrößten Militärbudget der Welt und den weltweit größten Devisenreserven.
So viele Milliarden Dollar liegen in Chinas Banken herum, dass US-Währungspolitik nicht mehr allein in Washington gemacht werden kann. Damit wächst nicht nur die Konkurrenz, sondern auch die gegenseitige Abhängigkeit der beiden Schwergewichte. Das in Realpolitik umzusetzen, ist die dringlichste Aufgabe Washingtons. Noch haben aber nicht alle Politiker dort verstanden, dass China sich längst nicht mehr unter Druck setzen lässt.
ADRIENNE WOLTERSDORF