: Buch boomt, Buchhandel kriselt
Die Zahl der kleinen Buchhandlungen nimmt ab, Buchketten wie Thalia oder Hugendubel expandieren dagegen
Die Tage der Messe, das ist die Zeit der vielen Zahlen aus dem Literatur- und Buchhandelsbereich: Wasserstandsmeldungen aus der Buchbranche. Einige von ihnen fallen dieses Jahres außerordentlich positiv aus. 7.223 aus 101 Ländern stellen auf 168.790 Quadratmetern 380.655 Titel vor.
Bei diesen Ziffern kommt Freude auf. Mit der Einschätzung, sie seien sogar „absolut unglaublich“, lässt sich Buchmessen-Sprecher Holger Ehling zitieren. Immerhin besagen sie einen Zuwachs an Ausstellern um 6 Prozent, schrauben deren Zahl auf einen Rekord und sichern den ersten Platz der Messe als größte Bücherschau weltweit. Inzwischen ist man sogar die größte englischsprachige Buchmesse dieses Planeten, weder in Großbritannien noch in den USA lassen sich so viele Titel der dortigen Produktion bestaunen wie in Frankfurt.
Auch die Zahlen der Branche insgesamt sehen ganz gut aus. Im vergangenen Jahr legten sie nach Schätzungen des Börsenvereins minimal um 0,1 Prozent zu, dieses Jahr, meint dessen scheidender Vorsteher Dieter Schormann, ist ein ganzer Prozentpunkt Umsatzplus drin. Das ist nicht überwältigend, aber immerhin scheint die Talfahrt der Buchbranche überwunden, die sich noch in den Jahren 2002 und 2003 mit Umsatzrückgängen ausdrückte.
Dass die Krise des Buches gestoppt scheint, heißt aber noch lange nicht, dass die Krise des Buchhandels gleich mit zu Ende geht. In diesem Bereich gibt es auch 2005 Zahlen, die kleiner werden und deshalb Besorgnis auslösen. Vor allem zählt der Börsenverein nur noch 6.285 Mitglieder, was 2 Prozent weniger Buchhändler als im Jahr 2004 bedeutet – Folge des Konzentrationsprozesses, der die Branche gerade durchschüttelt. Die Zahl der kleinen Buchhandlungen nimmt ab, Buchketten wie Thalia oder Hugendubel expandieren dagegen. Ein Prozess, der mittlerweile sogar Auswirkungen auf die Laufbahn des Börsenvereins-Vorstehers hat: Schormann muss seinen Platz räumen, weil er seine eigene kleine Buchhandlung in Gießen verkaufte, um Vorstandsmitglied der Thalia-Kette zu werden. Die vielen mittelständischen Mitglieder des Vereins fanden das gar nicht gut.
Und die Umsatzsteigerung bedeutet nicht, dass es automatisch der Literatur gut geht – ein größer werdender Anteil daran wird durch so genannte Nonbooks erwirtschaftet. Das sind Hörbücher und DVDs, aber auch Weine oder Diddlmäuse. Längst hat die Buchmesse auch Züge eines Vergnügungsparks und einer Spielwarenmesse angenommen. Aber auch das muss ja nichts Schlechtes sein.
DIRK KNIPPHALS