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Archiv-Artikel

Wallender Nebel

Lenz‘ „Hofmeister“ im Schauspielhaus: Solide Schauspielkunst, aber wenige Lichtmomente in einer Inszenierung mit Schlag zum Melodram. Detlev Greisner tröstet als verbohrter Schulmeister

Wann den „Hofmeister“ aufführen, wenn nicht jetzt. Lenz hat mit diesem Stück die Verkümmerung eines Menschen auf die Bühne gebracht und mit ihm die einer ganzen Gesellschaft, die aus ihrer Erstarrung nicht herausfindet. Lenz hat den „Hofmeister oder die Vorteile der Privaterziehung“ eine Komödie genannt, aber es ist wenig Komisches im Fall des Hofmeisters Läuffer, der sich im adeligen Haushalt demütigen lässt, die Tochter schwängert, flüchtet, sich kastriert und schließlich ein Landmädchen heiratet.

Im Schauspielhaus hat man einen Waschsalon aufgebaut und daneben eine Reihe von Bankautomaten, zwischen denen die Adelsgesellschaft sich zu einem Reigen aufbaut. Geld, soviel wird rasch klar in der Inszenierung von Konstanze Lauterbach, bestimmt die Beziehungen in dieser Gesellschaft, aber die Bilder und Gesten, die sie dafür findet, bleiben seltsam holzschnittartig. Der Major (Guido Gallmann) spielt Golf, die Studenten sprayen über ihre Bedeutungs- und Ortlosigkeit hinweg.

Derweil zeigt sich das ganze Ausmaß des familiären Zerfalls: Die Majorin, der Irene Kleinschmidt unter der zynischen Bosheit eine wachsende Verzweiflung zu geben weiß, versucht den Grafen Wermuth (Thomas Ziesch) zu verführen, der seinerseits die Tochter Gustchen (Franziska Schubert) zu verführen sucht. In diesem Geflecht verfängt sich der Hofmeister (Torsten Ranft, der kurzfristig für den verletzten Alexander Rossi eingesprungen war): Ein gebildeter Bürgerlicher, der sich verkrümmt, demütigt für einen sozialen Aufstieg, den die gesellschaftlichen Strukturen von vornherein ausschließen.

Manchmal findet die Inszenierung Bilder für diese Sackgasse: In der Beiläufigkeit, mit der der Hofmeister einen Schwamm ausquetscht oder in der Gequältheit der Verführungsszene. Da nimmt die Tochter des Hauses seine Arme und lässt ihn halb zärtlich, halb drängend ihre Bewegungen nachvollziehen. Doch diese Bilder werden verdrängt durch solche, die sich allzu rasch oder gar nicht erschließen. Warum sich der Major in der Trauer über das Leid seiner Tochter den Kopf mit Blättern reibt, bleibt unklar, und wenn die Majorin, panisch Wäsche in die Waschmaschine stopft, um dem Vorwurf Hure zu sein entgegenzutreten, so kommt es doch wenig überraschend.

Was im „Hofmeister“ tragisch anmutet, gerät zuweilen vollends melodramatisch: Gustchens Selbstmord im Wasser verträgt kein sich absenkendes Bühnenloch und erst recht keinen wallenden Nebel. Da tröstet dann nur noch Detlev Greisner, der der Verbohrtheit des Schulmeisters eine Komik zu geben weiß, die deren Gefährlichkeit nicht aufhebt.

Friederike Gräff

Nächste Termine: 23.10.,5., 6., 16.11.