: So ist es jetzt
Mit neuer Platte im Gepäck: Style-Ikone Paul Weller konzertierte routiniert und ein bisschen selbstgefällig vor einem genügsamen Publikum in der Columbiahalle
Gar keine Frage: Paul Weller hat eine Vorband verdient (meinetwegen auch eine Sänfte) –, aber doch nicht diese! Diane Weigmann, Ex-Lemonbabies-Frontfrau, ist so unfassbar harmlos. „Ich bin ein Happy-End-Mädchen“, wird sie auf dem Waschzettel zu ihrem Solodebüt „Diane – das Album“ zitiert: „Ich befasse mich mit sehr komplexen Themen, aber ich brauche eine positive Quintessenz, die ich daraus ziehe.“ Aha.
Auf ihrer Website schwärmt sie für ihren „absoluten Musik-Helden Paul Weller“ wie ein kleines Mädchen, das sie längst nicht mehr ist. Dagegen helfen weder rot gefärbte Haare noch der kokette Knicks, mit dem sie sich vom Publikum in der Columbiahalle verabschiedet. Vorerst. Denn sie kommt trotz mauem Applaus zurück – „Ihr seid soo charmant!“. Dianes erste Single hieß schon „Das Beste“. Was soll da noch nachkommen? Ganz billige Überleitung: was Besseres.
Als Paul Weller um Punkt 21 Uhr mit seiner Band die Bühne betritt, ist der ganze Ärger schlagartig vergessen, obwohl Weller und Weigmann sich frisurentechnisch offenbar abgesprochen haben: Beide tragen Vokuhilas mit Ohrenzotteln, Weller als Original, Weigmann als Fälschung.
Die Stilikone Weller ist auch in Lässigkeit nicht zu toppen. Auf dem Cover seines neuen, am 10. Oktober erschienenen Albums „As Is Now“ posiert er im Nadelstreifenjackett (mit Einstecktuch!) vor einer Hauswand, die Arme vorm Körper verschränkt. Die Botschaft: Kinder, seht her, wie Papa das macht. Alles, was ihr seid, seid ihr durch mich. Oasis, Blur, Pulp – so lang ist die Liste meiner Epigonen. Der Albumtitel „As Is Now“ klingt wie: Und das ist auch gut so. Ein bisschen überheblich und wenig gefallsüchtig – Paul Weller gefällt gerade deswegen.
Auch wenn die Lässigkeit in der Columbiahalle manchmal in Selbstgefälligkeit umschlägt, zum Beispiel dann, wenn Weller den Zwischenruf eines Fans rüde abbügelt: „Fuck off, man!“ Ansonsten gibt „His Wellness“ sich ungewohnt zahm, konzentriert sich auf seine zahlreichen Gitarren und diesen unnachahmlich warmen Gesang, in dem Rock und Soul miteinander flirten.
Weller beginnt atemlos, ganz so, als habe er später noch etwas Besseres vor. „Warum macht der denn gar keine Ansagen?“, beschwert sich ein jüngerer Konzertbesucher, der noch längst nicht geboren war, als der spätere „Modfather“ 1975 The Jam gründete. Bei den neuen Songs macht sich Weller dann doch noch die Mühe der Anmoderation – fast schon ein Affront für die meisten älteren Fans: Die kennen Weller ja schon seit einer halben Ewigkeit, die erstaunlich viele viele Haare gekostet und manchem gar eine Bugattibrille auf die Nase gesetzt hat. Dementsprechend gelassen – Ekstase sieht anders aus – wird auf die routinierte Performance von Weller und seiner prima harmonierenden Band reagiert: Ach, der Paul, der enttäuscht uns schon nicht.
Mit diesem Grundvertrauen begegnet das Publikum auch den neueren Songs, die nicht nur artig beklatscht, sondern gleich in den Freundeskreis aufgenommen werden. Ungewöhnlich, denn oft genug erlebt man es ja, dass auf Konzerten alle nur die alten Hits hören wollen und die neuen verschmähen: Eindringlinge, Störenfriede, die sich auf der Setlist unnötig breit machen und den Erinnerungen den Platz wegnehmen.
Paul Weller bringt beides ganz selbstverständlich in Einklang und beendet den Auftakt seiner Deutschlandtour nach knapp zwei Stunden mit einem alten Kracher, der das Publikum endlich und auch nur kurz seine durch Lebenserfahrung mühsam erworbene Nüchternheit vergessen lässt: „Town Called Malice“ vom 1982er The-Jam-Album „The Gift“, ein wohlfeiles Abschiedsgeschenk.
DAVID DENK
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