: Angriffe im Kongo
Wachsender Konflikt um die ruandischen Hutu-Milizen. Warnung vor Zusammenbruch des Friedensprozesses
BERLIN taz ■ Irreguläre ruandische Hutu-Milizen verstärken ihre Angriffe im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Rund 10.000 Menschen waren gestern nach UN-Angaben in einem Bergwaldgebiet südwestlich der Stadt Butembo in der Provinz Nord-Kivu auf der Flucht, nachdem Milizionäre ein Militärlager im Ort Kasuo angegriffen hatten. Am Sonntag hatten die Milizionäre zwei Wählerregistrierungsbüros in der Gegend angegriffen.
Bereits am 9. Oktober hatten ruandische Milizen in der Nachbarprovinz Süd-Kivu ein Massaker angerichtet. 25 Menschen wurden im Dorf Kaniola mit Macheten getötet, einige davon Kleinkinder.
Die beiden Angriffsziele liegen in den jeweiligen Hochburgen der Milizen im Ostkongo. Ein Versprechen, den Kampf aufzugeben und friedlich nach Ruanda zurückzukehren, haben die in der Gruppierung „Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas“ (FDLR) zusammengeschlossenen Kämpfer mit Ausnahme von Splittergruppen nicht eingehalten. Wiederholte Ankündigungen der Allparteienregierung des Kongo, gegen die Milizen militärisch vorzugehen, sind ebenfalls weitgehend folgenlos geblieben. In Ruanda, das bereits 1996–2002 im Kongo gegen die Hutu-Milizen kämpfte, werden daher wieder Rufe nach einem militärischen Eingreifen laut. Ruanda und Uganda sollten dem Kongo ein Ultimatum zur Entwaffnung der Milizen stellen und, falls dieses folgenlos verstreicht, einmarschieren, forderte vergangene Woche ein Kommentator der ruandischen Zeitung New Times, die der Regierungspartei Ruandas nahe steht.
Auch im Kongo sorgt die Präsenz der Milizen für politischen Streit. Einige Politiker verdächtigen Hardliner im Umfeld von Präsident Joseph Kabila, die ruandischen Hutu-Kämpfer zu unterstützen. Kongos Minister für Regionale Kooperation, Mbusa Nyamwisi – der während des Krieges die jetzt von den Milizen angegriffene Region um Butembo kontrollierte –, kritisierte vor wenigen Tagen öffentlich die Uneinigkeit und das „Nichtstun“ innerhalb der Regierung gegenüber den Milizen. Dies sei die größte Bedrohung für die Menschen im Ostkongo.
Der Think-Tank „International Crisis Group“ forderte gestern eine entschlossene internationale Initiative, um den Zusammenbruch des Friedensprozesses im Kongo zu verhindern. Es drohe „ein Rückfall in massive Gewalt, die die Einheit des Kongo und die Stabilität großer Teile Afrikas ernsthaft gefährden würde“, schrieb die Organisation und verlangte unter anderem einen Krieg gegen die ruandischen Hutu-Kämpfer. Dafür müsse die UN-Mission im Kongo verstärkt werden. Der UN-Sicherheitsrat muss bis Monatsende über die Zukunft der Kongo-Mission entscheiden. DOMINIC JOHNSON