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Archiv-Artikel

Göttliche Strafe für Islamkritiker erbeten

Im islamistischen Internetportal Muslim-Markt wurde dafür gebetet, dass der Islamkritiker Hans-Peter Raddatz von Allah bestraft werden möge, falls er ein Lügner sei. Die Staatsanwaltschaft sieht einen Verdacht auf Aufruf zu Straftaten

KÖLN taz ■ Handelt es sich bei einem im Internet-Portal „Muslim-Markt“ veröffentlichten Text um einen Mordaufruf oder nur um einen etwas sonderbaren Gebetswettbewerb? Mit dieser Frage muss sich jetzt die Staatsanwaltschaft Oldenburg beschäftigten. Hintergrund ist ein „Angebot“ an den Orientalisten und Islamkritiker Hans-Peter Raddatz auf einer der Webseiten des islamistischen Portals: „Lassen Sie uns doch gemeinsam folgendes Gebet beten: Wenn der Islam so ist, wie Herr Raddatz es immer wieder vorstellt, dann möge der allmächtige Schöpfer alle Anhänger jener Religion vernichten! Und wenn Herr Raddatz ein Hassprediger und Lügner ist, dann möge der allmächtige Schöpfer ihn für seine Verbrechen bestrafen und diejenigen, die trotz mehrfacher Hinweise auf die verbreiteten Unwahrheiten von Herrn Raddatz immer noch darauf bestehen, auch.“

Mittlerweile hat das „Muslim-Markt-Team“ den Namen Raddatz durch „XXX“ ausgetauscht – nach eigenen Angaben, um der Gefahr vorzubeugen, dass „jetzt ein Islamhasser der benannten Person irgendetwas antut und dann versucht, es irgendwelchen Muslimen in die Schuhe zu schieben“. Der wahre Hintergrund dürfte allerdings sein, dass das ARD-Magazin „Report Mainz“ den eigentümlichen Gebetsvorschlag aufgriff. Die Autoren des am Montag ausgestrahlten Beitrags erkannten darin einen Aufruf zur Ermordung von Raddatz. Auch der Betroffene spricht von einem „geschickt in ein Gebet verpackten Mordaufruf“. Er hat Anzeige erstattet. Das Ermittlungsverfahren führt die Staatsanwaltschaft Oldenburg, da die Betreiber des Muslim-Markts in deren Zuständigkeitsbereich leben. Denn hinter dem Muslim-Markt – auf dessen Seiten auch ausführlich gegen den „Pseudostaat Israel“ gehetzt und zum Boykott von „zionistischen“ oder „antiislamischen“ Produkten wie AOL, Danone, Coca Cola oder der taz aufgerufen wird – stehen die beiden türkischstämmigen Deutschen Yavuz und Gürhan Özguz aus Delmenhorst.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Brüder Ärger mit der Justiz bekommen. So wurde im Frühjahr 2004 Yavuz Özoguz vom Amtsgericht Delmenhorst wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Muslim-Markt hatte eine Rede des iranischen Revolutionsführers Ali Chamenei dokumentiert, in der die „Propagandataktik“ der Israelis „beschrieben“ wurde: „Alle Politiker, alle Journalisten, alle Intellektuelle, alle Offizielle und alle Experten des Westens sollen ihre Köpfe verbeugen, um der Gaskammern zu gedenken. Dabei sollen sie alle einem Märchen beipflichten, dessen Authentizität gar nicht klar ist, und sich selbst schuldig fühlen aufgrund dieser Geschichte.“ Diese Äußerungen, so urteilten die Richter, stellten eine Leugnung der Existenz der Gaskammern dar und es müsse „befürchtet werden, dass gewaltbereite Antisemiten das Gedankengut als eine Art ‚geistigen Brandbeschleuniger‘ aufgreifen“. In der Berufung vor dem Landgericht Oldenburg erreichte Yavuz Özoguz allerdings, dass das Verfahren Anfang 2005 gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 1.000 Euro eingestellt wurde.

Die jetzige Aufregung über ihr Anti-Raddatz-Gebet können die beiden Islamisten, die seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet werden, nicht verstehen. Es handele sich hierbei doch nur um das so genannte „Mubahala-Prinzip“. Das sei „eine von unserem Propheten vorgelebte sehr friedliche Form, einem Heuchler seine eigene Heuchelei durch innere Aufrichtigkeit zu verdeutlichen“. Den Sprecher der Oldenburger Staatsanwaltschaft haben sie davon allerdings bisher noch nicht überzeugen können: „Auf den ersten Blick besteht der Anfangsverdacht des öffentlichen Aufrufs zu Straftaten und zur Volksverhetzung“, sagte Bernard Südbeck der taz. PASCAL BEUCKER