Klare Alternativen: Geld oder Leben

Bis zum 1. November sollen die MitarbeiterInnen des Bremer Theaters einem „Vorschlag“ von Kultursenator Jörg Kastendiek (CDU) zustimmen – dem Verzicht auf Gehaltsleistungen in Höhe von 2,6 Millionen Euro. Andernfalls droht die Insolvenz

Bremen taz ■ Jetzt ist das Messer angesetzt: Die 405 MitarbeiterInnen des Theaters sollen bis 2007 auf alle „Sonderzuwendungen“ verzichten – womit vor allem Urlaubs- und Weihnachtsgeld gemeint sind, insgesamt 2,6 Millionen Euro. Kultursenator Jörg Kastendiek fordert diese Summe als Konsequenz aus den aktuellen Liquiditätsproblemen.

De facto handelt es sich dabei um Leistungen, die das Ressort, wie der öffentliche Dienst insgesamt, durch den „Solidar-Pakt“ einzusparen gehofft hatten – dem die Gewerkschaften nicht zugestimmt hatten. Nichtsdestotrotz waren diese „personalwirtschaftlichen Effekte“ in die Ressorthaushalte eingestellt worden. Beim Theater tauchten sie kürzlich in Gestalt von 610.000 Euro auf, die das Haus seinen MitarbeiterInnen nicht auszahlen konnte. Begleitet von heftiger öffentlicher Schelte wurde das Geld Mitte September „nachbewilligt“. Jetzt aber soll der Solidarpakt offenbar mit anderen Mitteln nachvollzogen werden.

Der Druck auf das Theater ist dabei immens: Wenn es die Oktobergehälter nicht auszahlen kann (Stichtag ist der 23.10.), muss innerhalb von drei Wochen Insolvenz anmeldet werden. Die kann kurzfristig nur mit Hilfe einer Senats-Bürgschaft vermieden werden – die aber knüpft Kastendiek an den 2,6-Millionen-Deal. Voraus ging eine über mehrere Monate extrem negative Presse, bei der ein geringer als erwartet ausfallender Zuschauerzuwachs schon mal mit der Schlagzeile „Weniger Besucher“ versehen wurde, in der, als Beispiel für die vermeintliche personelle Überbesetzung, eine Unzahl technischer Stellen genannt wurden, die es im Haus zuletzt vor dem II. Weltkrieg gegeben hat – und in der schließlich von einem „neuerlichen Loch“ von vier Millionen Euro die Rede war, wobei es sich um die Summierung aller Altlasten handelte.

Zum größten Teil resultieren sie allerdings aus strukturellen Problemen, die von den zuständigen Gremien mit getragen wurden. Beispiel: Im Protokoll des Haushalts- und Finanzausschusses vom 15.9.2005 ist ein für „Ende September“ zu erwartendes „akutes Liquiditätsproblem“ vermerkt. Hintergrund seien regelmäßig auftretende finanzielle Engpässe zum Ende des Geschäftsjahres, die stets mit haushalterischen Vorgriffen überbrückt wurden. Das Kulturressort erklärte, dass es dabei „zu keinem Verstoß gegen die Landeshaushaltsordnung gekommen sei“. Die „Vorgriff-Praxis“ sei auch dem Finanzressort „seit Jahren geläufig“.

Unübersichtlich ist die Lage, weil die offenbar ebenfalls vorliegenden Versäumnisse des Theaters als schwarzer Peter zwischen dem (entlassenen) kaufmännischen Geschäftsführer und dem (im Krankenhaus liegenden) Intendanten hin und her geschoben werden. Dem Vernehmen nach hat die kommissarische Theaterleitung in den jetzigen Krisengesprächen das maximale Einsparvolumen auf 1,45 Millionen beziffert.

Wie sehen die Mitarbeiter selbst die Entwicklung? Karsten Küsters, Sprecher des Musiktheater-Ensembles, nennt Kastendieks Vorgehen „eine Erpressung“ – die sich zudem betriebsschädigend auswirke. Schon jetzt sei ein Besucherrückgang spürbar. Küster verweist darauf, dass der Senator bereits vor Wochen angekündigt habe, das Theater müsse ab 2007 mit einer Million Euro weniger auskommen, bei gleichzeitig steigender überregionaler Ausstrahlung. Ersteres zumindest scheint schon jetzt in greifbare Nähe gerückt.

Die im Bühnenverein organisierten Intendanten verweisen derweil darauf, dass Pierwoß in den ersten fünf Jahren seiner Bremer Amtszeit bereits 7,5 Millionen Euro gegenüber den Budgets seiner Vorgänger eingespart habe. Henning Bleyl