: Jukebox - Der musikalische Aszendent
Warten auf die große Welle, warten auf das Glück
Surf: ein leichter, heiterer, problemloser Rock, den die Beach Boys 1962 mit dem Stück „Surfin’ Safari“ kreierten – Musik zum Wellenreiten. Viele Rockinterpreten brachten bis 1964 Surf-Songs heraus, dann lösten Hot-Rod-Motorlieder die feuchte Popmusik-Modewelle ab. (Rocklexikon, erweiterte Ausgabe, 1975)
Oder vielleicht so: Giorgio Morandi war ein Maler, der aus seinem heimischen Bologna nie herauskam und das auch nicht wollte. Über Jahrzehnte hinweg malte er ein einziges Sujet. Immer nur Stillleben. Die immer gleichen Flaschen, Schalen oder Kännchen, immer neu arrangiert und in Grau- und Brauntönen auf die Leinwand gebracht. Kaum kann man die Arbeiten auseinander halten, und von diesen großartigen Bildern wurde kein einziges zu viel gemalt.
Eigentlich braucht man nur einen einzigen Sampler mit Surf-Musik (auf dem allerdings unbedingt Dick Dales Version von „Miserlou“ drauf sein sollte), um bereits die gesamte Summe an Möglichkeiten innerhalb dieses Genres in der Hand zu haben, das nicht gerade sehr variabel ist. Ein stetes Gitarrenzirpen im Boogierhythmus, heute idealtypischerweise ohne Gesang. Wenn das eine Stück zu Ende ist, kommt schon das nächste, das doch wieder so klingt wie das vorige. Man mag das wenig abwechslungsreich finden. Aber man setzt sich auch nicht ans Meer und macht den Wellen den Vorwurf, dass sie sich alle irgendwie ähnlich sehen. Surf ist schlicht und Surf ist standardisiert, und gerade darin ist Surf ein strenger Lehrer, der die Musiker zur Beschränkung und Präzision zwingt. Keine Ausflüchte sind erlaubt. Nichts, was die strenge Form zerstören könnte. Twang muss Twang bleiben. Dafür bekommt man ein Spielfeld von ungemeiner Intensität, wie überhaupt Intensität am größten wohl sein kann im strikt reglementierten (Surf, Beat, Punk) oder strikt regeloffenen Raum (Improvisation). Diese Woche in Berlin:Heute: Tex-Mex-Surf mit den Mezcaleros im Wild at Heart.Mittwoch: Original-Surf mit den Surfaris (deren „Wipe Out“ mit dem Lachen am Anfang kennt jeder) im Wild at Heart.Surf mit Easy-Listening-Touch mit Los Banditos aus Jena im Red Rooster.Donnerstag: Nochmals Los Banditos, im Schokoladen.
Ein Surf-Gedicht, Samuel Beckett hat es geschrieben: „Alles seit je./ Nie was anderes./ Immer versucht./ Immer gescheitert./ Einerlei./ Wieder versuchen./ Wieder scheitern./ Besser scheitern…“ Ein Leben. Und Surf lächelt. THOMAS MAUCH