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Archiv-Artikel

Uran im Mineralwasser

Das giftige und radioaktive Schwermetall Uran hat eigentlich nichts in unserem Trinkwasser zu suchen. Doch Kontrollen ergaben, dass jedes zweite Mineralwasser belastet ist. Experten fordern, dass endlich Grenzwerte festgelegt werden

VON INGE LINDEMANN

„Gut zu wissen, was man trinkt“, so lautet der Slogan einer großen Wasserfirma. Der Trend zum Mineralwasser ist ungebrochen, begleitet von Fitnessboom und Fettdiskussion. Leitungswasser hingegen hat ein schlechtes Image. Doch sowohl im normalen Trinkwasser als auch im Mineralwasser kann Uran in gesundheitsrelevanten Mengen vorkommen – wovon die Bevölkerung meist nichts weiß. Uran ist doppelt gefährlich: als radioaktiver Alphastrahler und als ein besonders giftiges Schwermetall. Uran reichert sich bevorzugt in Knochen an und kann unter anderem Funktionsstörungen der Niere, Lunge und Leber, aber auch Krebs und Erbgutveränderungen auslösen. Inzwischen ergriff das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin die Initiative: Präsident Andreas Hensel mahnte, dass Säuglingsnahrung kein uranhaltiges Mineralwasser enthalten sollte. Das BfR stützt seine Empfehlung auf die Auswertung von 1.500 in diesem Sommer auf Uran untersuchte Mineralwasser aus der Lebensmittelüberwachung der Länder. Demnach würden über die Hälfte der Wasserproben die vorgeschlagene Nachweisgrenze von 0,2 Mikrogramm Uran pro Liter überschreiten und damit die Auflage des BfR nicht erfüllen.

Der Urangehalt im Wasser schwankt in den verschiedenen geologischen Formationen stark, also variieren auch die Werte in den Mineralwassern – je nach Brunnenstandort, in Einzelfällen auf bis zu 80 Mikrogramm pro Liter. Nach Auskunft des Verbraucherministeriums liegt die Uranbelastung durch das auf dem deutschen Markt erhältliche Mineralwasser im Schnitt bei 1,06 bis 4,15 Mikrogramm pro Liter. Das Gros des gehandelten Wassers unterschreitet den von der WHO 2004 überraschend von 2 auf 15 Mikrogramm Uran im Trinkwasser hoch gesetzten Empfehlungswert. Ein uranfreies Leben ist nicht möglich: „2 bis 4 Mikrogramm beträgt die unvermeidliche, tägliche Uranration in fester Nahrung“, erklärt Ewald Schnug von der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) in Braunschweig.

Die FAL befasst sich mit dem Umsatz von Uran in Agrarökosystemen, weil phosphorhaltige Mineraldünger wesentliche Quelle für Uranbelastungen landwirtschaftlich genutzter Böden sind. Im Rahmen dieser Forschungen werden von der FAL Hintergrundwerte von Uran in verschiedenen Umweltkompartimenten ermittelt, wozu auch Leitungs- und Flaschenwasser gehören. Durch Mineralwasser kann der Urankonsum rasant ansteigen: „Bestimmte Mineralwässer können die Uranaufnahme verzehnfachen“, warnt Schnug. Er fordert daher eine Kennzeichnungspflicht für die Mineralwasserindustrie.

Die Umsetzung wäre gar nicht schwierig: Welches Wasser wie hoch belastet ist, das wissen Hersteller und Behörden längst – sie teilen es aber nicht mit. Auch auf Nachfrage war das zuständige Verbraucherschutzministerium nicht zu einer Veröffentlichung der gemessenen Urangehalte einzelner Wasser bereit.

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) untersuchte im Auftrag des Bundesumweltministeriums 400 Mineralwässer auf natürliche Radioaktivität (Radium-226, Radium-228, Uran-234, Uran-235, Uran-238, Polonium-210, Blei-210 und Aktinium-227). Einige der Ergebnisse wurden 2002 veröffentlicht. Die Urangehalte wurden damals nicht gesondert ausgewiesen – ging es dem BfS doch um die Strahlenbelastung und nicht um die Giftigkeit des Wasser. Daher lassen die publizierten Ergebnisse keine Rückschlüsse auf Urangehalte im Mineralwasser zu.

Heute würden die zuständigen Mitarbeiter die gemessenen Urangehalte gern veröffentlichen, aber sie fühlen sich an eine Vereinbarung gebunden, die das Umweltministerium 2002 mit der Mineralwasserindustrie traf: Was damals nicht veröffentlicht wurde, müsse auch künftig unter Verschluss bleiben.

Die BfS-Untersuchung kam zustande, weil die radioaktive Belastung von Mineralwasser in die Schlagzeilen geraten war. Seither haben die Mineralwasserhersteller in technische Verfahren investiert, um die Strahlenbelastung zu verringern. So wird radioaktives Radium mittlerweile bei vielen Firmen aus dem Mineralwasser gefiltert. Verfahren zur Absenkung der Urangehalte sind in der Entwicklung und Erprobung. Doch die Wasserbehandlung wird teuer und die Entsorgung des giftigen, radioaktiven Mülls erst recht. Zudem gibt es in der Mineral- und Tafelwasserverordnung noch keine Regelung für die Uranbelastung, und ein Grenzwert für die gesundheitliche Maximalbelastung existiert in Deutschland auch noch nicht. Im Gesundheitsministerium hält man sich bedeckt, das zuständige Verbraucherministerium sieht noch keinen Handlungsbedarf. Alle warten auf eine EU-weite Regelung. Das Umweltbundesamt kommt in seinen jüngsten Berechnungen zu einem so genannten „gesundheitlichen Leitwert“, also eine Vorstufe des Grenzwerts, in Höhe von 8,4 bis 10,3 Mikrogramm Uran pro Liter Trinkwasser.

Angesichts hoher Kosten, komplexer Wasserchemie und in einigen Regionen hoher Trinkwasserbelastung scheuen nicht nur der Bund, sondern auch die Kommunen vor einer Regelung für Uran im Wasser zurück.

„Die Uranbelastung bedarf der Kontrolle“, fordert Manfred Anke vom Institut für Ernährung und Umwelt der Universität Jena. Dies gelte keinesfalls nur für Uranbergbaugebiete, sondern für alle Lebensräume. „In Säuglingsnahrung kann der Urangehalt auf das 50-fache der in der Mutter- und Kuhmilch vorkommenden Uranmengen ansteigen, wenn uranreiches Wasser zu ihrer Präparation verwendet wird.“