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Archiv-Artikel

Verruchte Milchtöpfe

Koreanische Woche der Wahrheit: Die feinsinnigen Pornofilme des Ming Jae Kang

Gin Seng Ding fährt gern mit seinem Kumpel Heh Yon Dong auf Papas Moped herum. Der Vater ist Kapitän eines chinesischen Corn-Flakes-Trawlers und selten daheim. Deshalb können die beiden Burschen nach Belieben durch Seoul knattern und tun, was nicht nur koreanische Jungs gern tun, wenn ihre Säfte gegen die Deichkrone schwappen: Mädchen aufreißen. So weit der schmale Plot eines südkoreanischen Pornofilms mit dem sehr rätselhaften Titel „Ameise zurück“, jüngstes Werk des in seiner Heimat als „King of Porno“ gefeierten Ming Jae Kang. Ein Streifen, der von der koreanischen Filmbewertungsstelle in die Kategorie „Hardcore“ eingestuft wurde und folglich strengen Aufführungsbeschränkungen unterliegt. Nur eigens lizensierte Kinos dürfen den Film zeigen. Jugendliche unter 23 haben keinen Zutritt.

Wir normalschweinös veranlagten Mitteleuropäer fragen uns allerdings erstaunt warum, als wir auf Einladung der südkoreanischen Pornoindustrie den Film in Seoul anschauen. Zwar kommen die beiden Stecher nach dem etwas langatmigen Einstieg mit dem Corn-Flakes rumschippernden Vater schnell zur Sache. Doch von den entscheidenden Darstellungen und Praktiken, wie man sie in unseren Ruckelfilmen üblicherweise und zum Teil bis zum brandigen Wundrieb der Akteure vorgeführt bekommt, ist in dem koreanischen Schmuddelstreifen nicht mal ein schamhaarschmaler Ausschnitt zu sehen. Wann immer eine intergeschlechtliche Nummer im Film sich anbahnt – und es sind etliche, die die brünstigen Mopedfahrer im Verlauf des 88-Minüters zu schieben haben – schwenkt die Kamera vom triebhaften Geschehen weg. Zwar lässt die Tonspur keinen Zweifel offen, was die, zumindest dem akustischen Eindruck nach, sehr begnadeten Steher mit den ihnen zahlreich zugeführten jungen Biestern anstellen. Allein, keiner der vollzogenen Akte wird auch leibhaftig im Bild gezeigt. Nicht mal einen harmlosen Fußverkehr liefert der Film.

Statt der erhofften Schweinigeleien sieht man bloß Aufnahmen von eher alltäglichen Ereignissen; die in ihrer Anmutung aber eindeutig sind: Lasziv zünglende Schlangen etwa, die in feucht ummooste Löcher glitschen, großkalibrige Staubsaugerrohre, die in viel zu enge Sofaritzen eindringen, rhythmisch stoßende Dampframmen, Strohhalme, die von Lippen besaugt werden. Dann kochen Milchtöpfe schäumend über, entladen sich Vulkane ejakulationsartig, schwappt es aus einer Gießkanne breiter Tülle schwall und spritzend auf einen ausladend da liegenden Kürbis.

Dessen voluminöse Rundungen nicht von ungefähr an einen barocken Damenpo gemahnen, wie uns Koreas King of Porno himself, Regisseur Ming, bei der Zigarette danach (Kim ohne Filter!) allen Ernstes glaubt erklären zu müssen – dabei auch noch verschwörerisch mit allen verfügbaren Schlitzaugen zwinkernd. Nein, wir haben die mehr als tapsige Ficksymbolik schon kapiert, sind aber höflich und geben uns angetan von seiner „ausgefeilten und unsere Lenden überaus stimulierenden Bildsprache“, wie wir den agilen Mittfünfziger per Dolmetscher belügen, worauf der Filmregisseur zufrieden nickt. Viel sagenden Blicks winkt er mit einem schneeweißen Kleenex.

Am nächsten Tag begleiten wir Herrn Ming ins Studio seiner Pornofilmproduktion, wo der Meister gerade seinen nächsten Streifen abdreht: „Gemüse putzen“ lautet dessen ebenfalls eher undurchschaubarer Titel. Ming will darin zeigen, was in südkoreanischen Ballettmädchenschulen so alles los ist, wenn man ein paar hormonell sehr aufgekratzte nordkoreanische Halunken mal lässt. Der Regisseur, dessen unbesockten Sandalen heute dieser für Koreaner so typische Selleriegeruch entweht, führt uns ein paar Muster bereits abgedrehter Szenen vor, und man sieht: Auch hier greift wieder seine öde Parabolik, sobald es im Filmgeschehen ans Eingemachte geht. Statt sich heftig piesackender nackter Leiber, wie sich das für einen ordentlichen Porno gehört, sieht man nur wieder Angedeutetes: Eine Tankpistole stößt brutal in einen Tankstutzen, von einem Löffel tropft etwas sehr Spermahaftes, eine Silvesterrakete schießt hinten feurig ausschweifend in den nachtblauen Himmel, um dort gleichsam abspritzend gewaltig zu explodieren.

Am Nachmittag dann der Dreh einer Szene, in der zwei der Kerle einer drallen Balletteuse an die Balletthose wollen. Ein kurzer, grunzend dargebrachter Dialog zwischen den beiden Schmieranten leitet die Situation ein. Doch schon brüllt Ming, der die Szene mit einer kleinen Fußkamera einfängt: „Cut!“ Laut Drehbuch wird jetzt im Film die Aufnahme zweier steil sich aufrichtender Bahnschranken insertiert. Dann folgt die Sequenz, die nun noch schnell inszeniert wird: Die Balletteuse schält sich gurrenden Blicks eine Banane. Das macht die Typen ganz wild. Im Gegenschnitt sieht man sie bereits die Gürtel lockern. Doch noch ehe ihre Hosen sinken, schwenkt die Kamera auf eine abseits angebrachte Kuckucksuhr, deren eifrig aus dem Türchen vor- und zurückschnellender Plastikvogel abermals eher abtörnend nur andeutet, was anschließend zwischen den drei Akteuren passiert. – Und: „Cut!“

FRITZ TIETZ