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Funktioniert Chávismus auch ohne Chávez?

FÜHRUNG Die Umverteilungspolitik könnte auch ein Nachfolger des Präsidenten weiterführen. Schwerer hätten es seine Gegner

BERLIN taz | Sollte Venezuelas Präsident Hugo Chávez sein Amt nicht antreten können oder innerhalb der ersten vier Jahre seiner neuen Amtszeit seiner Krebskrankheit erliegen, gibt es Neuwahlen. Wer sich dann als Kandidat gegenübersteht, scheint klar: Auf Regierungsseite hat Chávez selbst Vizepräsident Nicolas Maduro als seinen Nachfolger designiert. Auf Seiten der Opposition ist es schwer vorstellbar, dass jemand anderes als erneut Henrique Capriles, Gouverneur des Bundesstaates Miranda und einer der wenigen Oppositionellen, die bei den Regionalwahlen vor wenigen Wochen gegen die Kandidaten des Chavismo gewinnen konnten, ins Rennen zieht. Die Wahlen wären also eine Neuauflage jener Konfrontation vom 7. Oktober – nur ohne den charismatischen Anführer des „bolivarianischen“ Projektes auf dem Weg zum „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“.

Geht Chavismus ohne Chávez? Das scheint, zumindest eine Zeitlang, keine Frage. Mit dem Vertrauen des Übervaters ausgestattet, kann Maduro, der zwar nicht über Chávez’ Charisma, aber dennoch über ausreichend Ausstrahlung und politisches Geschick verfügt, die Reihen sicher zusammenhalten. Gleichwohl würde sich das politische Leben verändern: Der ausschließliche Zuschnitt auf die Führungsfigur, die sich Chávez von Kubas Fidel Castro abgeschaut hatte, geht nur mit Chávez, das kann Maduro nicht ersetzen. Das Projekt der staatszentrierten Wirtschafts- und Sozialpolitik aber, mit ihrer Umverteilung der Erdöleinnahmen zugunsten von Sozialpolitik, kann Maduro weiterführen. Spannend wird es, wenn die Probleme, die auch Chávez lange ignoriert hat, noch drängender werden: mangelnde Reinvestitionen in die Fördertechnologie, Aufbau alternativer Wirtschaftsstrukturen, die immense Korruption und vor allem die Alltagsgewalt. Chávez konnte das auffangen, Maduro müsste das erst beweisen.

Viel schwieriger aber ist Antichavismus ohne Chávez. Nur in Gegnerschaft zum Comandante hatte sich die Opposition einigen und nicht nur einen gemeinsamen Kandidaten, sondern auch eine gemeinsame Rolle im politischen System finden können. Capriles genoss als Kandidat die gemeinsame Unterstützung – weil man hoffte, mit ihm Chávez schlagen zu können. Der Anführer einer gemeinsamen politischen Idee jedoch ist er nicht.

Chávez’ Projekt wird seinen Gründer überleben, zumindest für ein paar Jahre. BERND PICKERT

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