WAHRE SCHREIBTISCHE. HEUTE: WIGLAF DROSTE – ODER WARNUNGEN AUS DEM KOFFER, TEXTE VOM GIPFEL UND DIE KACHEL OHNE BEDENKEN

Jeder Koch hat seine Mise en place, seine eigene Art, in der Küche den persönlichen Arbeitsplatz einzurichten mit Gewürzen und Kochgeräten und allerlei Dingen, die zum Gelingen eines Gerichts notwendig sind. Auch Autoren und Schriftsteller inszenieren ihre Schreibtische nach sehr eigenen Vorstellungen. Die Wahrheit hat sich an den Arbeitsplätzen ihrer Köche umgesehen.

Die warmen Strahlen der güldenen Herbstsonne streifen den unerwartet aufgeräumten Arbeitsplatz beinahe in letzter Sekunde; schon bald wird sie bis zum Frühling verschwinden. Sie lässt den Affi-Cup noch einmal funkeln (1) – der einzige Fußballpokal, den Wiglaf Droste jemals erhielt. Der Klumpen grauer Masse (2) zwei Etagen höher ist ein wertvolles Original aus Irland, keine Fälschung: das Gehirn von Ralf Sotscheck! Bislang ist noch niemand aufgefallen, dass es fehlt. Gleich daneben gibt’s göttlichen Beistand (3) für die häufigen Textschlachten an diesem Ort. Vielleicht hilft’s auch dem Mönch vom Schweizer Kloster Engelberg (4) beim Schlittschuhlaufen. Die frechen Frösche von Anna Zimmermann (5) beobachten ihn – und den Autor beim Schreiben. Der Kronleuchter (6) ist zu dieser Stunde noch nicht nötig.

Wie bei ©Tom achtet der alte Käpt’n Haddock („Patagonier! Antipoden! Teppichhändler!“, 7) auf hunderttausend heulende Höllenhunde. Auch bei Wiglaf Droste wird er dabei von Tim & Struppi, einem Engel und anderen unterstützt. Ein Regalbrett tiefer haben sich einige interessante Hörbücher angesammelt (8), darunter seine wunderbare Neuerscheinung „Westfalian Alien“. Allein durch fotografische Präsenz gemahnt Vincent Klink (9) an das oft ignorierte Gute und Freundliche im Menschen. Und die solide Koffer-Musikanlage (10) erinnert mit ihren durch Drehen der „wireless knobs“ erzeugten Kurz- und Langwellengeräusche an die von Van Morrison besungenen „Days before Rock ’n’ Roll“: Warnungen für Seefahrer („Sturm aus Nord-Nord-Oost“) und Grüße aus der Heimat.

Absolut „wireless“ und solide ist auch Drostes Schreibgerät (11), ein Gates-freier Psion netBook. Drahtlos ist auch nötig – zu oft arbeitet er in Hotelzimmern, im ICE-Großraumabteil oder im Tourbus der Band, den „Spardosen“. Selbst von hohen Schweizer Gipfeln hat der infrarote Korsar schon Texte in die Redaktion geschickt: zum Mobiltelefon, dann weiter über Funk. Dagegen wirkt die anlässlich einer Lesung überreichte Ofenkachel (12) fast schon riesig. Sie wurde 1983 zum 100. Geburtstag von Joachim Ringelnatz in Wurzen bei Leipzig hergestellt und enthält neben einem Porträt des Dichters einen schönen Reim: „Ich würde Dir ohne Bedenken / Eine Kachel aus meinem Ofen schenken.“ Dieter Grönling