: „Der is praktisch erledigt“
Videoband belegt: Der Kampf um die Nachfolge Edmund Stoibers im Amt des bayerischen Ministerpräsidenten wird immer rücksichtsloser. Offenbar kennt Erwin Huber schmutzige Details
VON STEFAN KUZMANY
Das nachstehende Protokoll ist die getreue Abschrift einer Videoaufzeichnung, die der taz vom Magazin „Cicero“ zugespielt wurde. Ort des Geschehens: Edmund Stoibers Büro, Staatskanzlei, München. Zeit: vergangener Freitag, kurz nach 15 Uhr.
Huber (euphorisch): … und da hinten kommt dann die neue Sitzecke nei, was meinst, Edmund?
Stoiber (abwesend): Ja ja.
Huber: Ja, so mach ma des.
Es entsteht eine Gesprächspause. Stoiber fixiert die bronzene Franz-Josef-Strauß-Büste. Er scheint Huber gar nicht wahrzunehmen.
Huber (ungeduldig): Sag amal, wo bleibt denn der Beckstein? Du sagst es ihm doch heut, Edmund, dass er nix wird, dass ich des mach, gell, Edmund?
Stoiber (aus seinen Gedanken gerissen): Was? Erwin, ich hab’s dir jetzt doch schon hundertmal gesagt: Bevor nicht die Koalitionsverhandlungen in Berlin äh abgeschlossen sind, kann ich da gar nichts machen.
Huber (verschlagen): Jaaa, aber erstens hast du’s mir versprochen. Und zweitens hast du das hier noch nicht gsehn.
Huber zieht einen grünen Schnellhefter aus seiner Aktentasche und hält ihn Stoiber unter die Nase.
Stoiber (misstrauisch): Was ist jetzt das, Erwin?
Huber (triumphierend): Des is meine Beckstein-Akte. Da steht alles drin. Wenn des rauskommt – der is praktisch erledigt.
Stoiber (nur mit Mühe beherrscht): Erwin …
Huber (in Fahrt): Des sammel ich fei schon seit Jahren. Und ich hab’s gewusst, dass noch amal der Tag kommt, wo ich des brauch. Ja, jetzt schau doch amal nei.
Stoiber (abrückend): Ja bist denn du wahnsinnig? Erwin, wenn des rauskommt! Denk doch an die Moni! So was geht doch nimmer heutzutage. Ich hab das äh niemals gesehen.
Beckstein betritt das Büro. Vor Schreck lässt Huber den Schnellhefter fallen. Geistesgegenwärtig schlenzt ihn Stoiber unter das Ministerpräsidentensofa.
Beckstein (fromm): Gelobt sei Jesus Christus in Ewigkeit Amen.
Huber (spöttisch): Geh hör doch auf, du bist doch nicht einmal katholisch.
Beckstein (auftrumpfend): Ich hab wenigstens Abitur.
Huber (entrüstet): Was soll denn des heißen? Ich hab doch auch … Herr Ministerpräsident, ich bitte Sie, den Kollegen Beckstein darauf hinzuweisen, dass ich ebenfalls …
Beckstein (bestimmt): Ja, schon recht. Der Herr Abendschüler wird sich allmählich daran gewöhnen müssen, dass ich niemals unter ihm …
Huber (ungehalten): Des werden wir dann schon sehen. Und dass d’ des gleich weißt: Ein Protestant wird hier gar nix und kein Franke schon gleich gar überhaupts nix, gell. Edmund, Herr Ministerpräsident, jetzt sag’s ihm halt.
Stoiber (staatsmännisch): Meine Herren, jetzt beruhigts euch doch. Denkts doch äh einmal ein bisserl weiter. Was soll denn der Heilige Vater denken, wenn ihr euch die Köpfe einschlagts?
Huber (verwirrt): Der Strauß?
Beckstein vertieft sich ins Gebet. Stoiber erhebt sich, steht am Fenster und lässt seinen Blick über den Franz-Josef-Strauß-Ring schweifen. Unten auf dem Rasen steht ein kleiner Mann mit rotem Pollunder und krakeelt. Es ist Ludwig Stiegler.
Stiegler (durchs geschlossene Fenster nur gedämpft zu verstehen): Nequissimus! Homo non nauci! Fungus furibundus!
Stoiber geht zu seinem Schreibtisch, drückt dreimal rhythmisch einen unter der Kante eingelassenen roten Knopf und wendet sich dann wieder seinen Besuchern zu.
Stoiber (bestimmt): Ich habe euch etwas mitzuteilen. Wie ich euch ja schon vertraulich geschrieben habe …
Beckstein und Huber (unsiono): Was geschrieben?
Stoiber (scheinheilig): Ja habt’s denn ihr meinen Brief nicht bekommen?
Huber (verwirrt): Welchen Brief?
Stoiber (geschäftig): Äh, unwichtig. Ich habe mich jedenfalls äh entschlossen, Ministerpräsident in Bayern zu bleiben und als solcher auch Minister in Berlin zu werden. Es ist eine äh große Verantwortung in Richtung Deutschland und ich äh nehme sie wahr. Erwin, du kümmerst dich um die äh entsprechende Verfassungsänderung.
Huber (devot, dabei zähneknirschend): Sofort, Herr Ministerpräsident.
Beckstein (stoisch): Inschallah.
Beide ab.
Tumult auf dem Rasen vor der Bayerischen Staatskanzlei: Ludwig Stiegler wird von einem Sondereinsatzkommando abgeführt. Stoiber hebt den grünen Schnellhefter auf und blättert darin.
Stoiber (zunehmend entsetzt): Da legst di nieder.