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Das Ding, das kommtPuppen-Phantasien

Von Hamburg nach Lübeck: Die Puppen des „Theater Rhabarber“ ziehen ins Museum Foto: Holger Sajuntz

Die Geschichten sind so eigenwillig wie die Figuren, für die sie geschrieben wurden. Ein ganz besonders leckeres Süppchen wollen sich Karl und Albert kochen – aus einem Flugzeug! Akribisch studieren die beiden Flugpläne, aber die ausgesuchte Maschine taucht einfach nicht auf. Zumindest ein kleines Flugzeug erblicken sie irgendwann am Horizont. Karl lockt den Flieger heran, Albert greift zur Fliegenklatsche und holt ihn herunter. Unter Jubel landet er im blechernen Suppentopf. Aber dass sie ein Militärflugzeug nebst Bombe kochen, übersehen die beiden verschrobenen Typen.

Mit einem großen Knall endet die Geschichte „Das Flugzeug“ des experimentellen Puppen- und Maskentheaters Rhabarber, für das es 1972 beim internationalen Figurentheater-Festival in Bochum einen ersten Preis gab. Der größte Erfolg in der 12-jährigen Geschichte der freien Figurentheatergruppe aus Hamburg. Sehen kann man das Stück heute noch dann und wann: Für seine Reihe „Puppenbühnen in Deutschland“ hat der NDR das eigenwillige zehnminütige Figurentheaterstück damals aufgenommen.

Sehen kann man da gleich im Anschluss auch das Stück „Am Bahnhof steht ein Fahrrad“ aus der Reihe „Stücke für den großen Glau“. Fünf Tage lang war das am Spritzenplatz im Stadtteil Ottensen beheimatete Theater damit 1980 im Malersaal des Schauspielhauses zu Gast. Auch dies ein Stück mit sonderbaren Protagonisten: seltsame Wesen aus Obst- und Gemüsetüten untersuchen das Gefährt.

Solch eigenwillige Figuren waren das Markenzeichen der Gruppe, die Franz Winzentsen – Mitgründer der alternativen Hamburger „Filmmacher-Cooperative“ und heute so etwas wie der Godfather der norddeutschen Experimental- und Trickfilm-Szene –, 1970 gemeinsam mit den PuppenspielerInnen Sigrid und Holger Sajuntz sowie Bernd Hof gegründet hatte. Ganz frei hat Winzentsen die Puppen gestaltet, die Geschichten entstanden erst im Anschluss: ein gutes Jahr lang saßen die vier dann an einem einstündigen Stück.

Nach der Schließung der Bühne 1983 waren die Figuren eingemottet. Erst im vergangenen Jahr hat Holger Sajuntz sie eigens für eine Ausstellung über die „Rhabarber-Helden“ im Reinbeker Schloss wieder heraus gekramt und sie vier Monate lang restauriert. Was mit ihnen passiert, war zunächst unklar. Nun aber haben sie ihren Alterswohnsitz gefunden: in der Dauerausstellung des Lübecker Figurentheatermuseums. MATT

ab So, 28. Februar, Theatefigurenmuseum Lübeck, Kolk 14

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