piwik no script img

Archiv-Artikel

Senat heizt Verdrängung an

GENTRIFIZIERUNG Linkspartei warnt vor Zunahme von Mieter-Vertreibungen aus innerstädtischen Wohnquartieren – und kritisiert die Untätigkeit des Senats

Gentrifizierung in Zahlen

Mieterschutz: Dreimal gab es bislang eine Soziale Erhaltungsverordnung, die Mieter vor der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen weitgehend schützt. Die 1995 beschlossenen Verordnungen für Eimsbüttel/Hoheluft und Barmbek-Süd/Uhlenhorst wurden Ende 2003 wieder aufgehoben, nur die in der südlichen Neustadt existiert noch.

■ Viel Büro: Auf ehemals städtischen Flächen der Liegenschaften sind zwischen 2002 und 2008 über 500.000 m[3]Fläche für Gewerbe, aber nur 173.600 m[3]für Wohnungen entstanden. MAC

„Sozial unverantwortlich, politisch fatal und für die Betroffenen bedrückend“ – so charakterisiert Joachim Bischoff von der Linkspartei die Stadtentwicklungspolitik des Senats. Durch ihre Grundstücksvergabe- und Wohnungsbaupolitik forciere die schwarz-grüne Koalition die Verdrängung sozial schwächerer Mieter aus dem innerstädtischen Bereich und damit die Gentrifizierung von Stadtteilen wie St. Pauli oder St. Georg. Eine Senatsantwort auf eine Große Anfrage der Linken zur „Verdrängung in Hamburger Stadtteilen“ listet die Versäumnisse des Senats detailliert auf.

Bauflaute: Obwohl die Bevölkerung in den vergangenen Jahren um 70.000 Menschen gewachsen ist, liegt der von der Stadt angeschobene Wohnungsbau brach. Wurden 1999 noch über 2.000 Wohneinheiten auf städtischen Grundstücken gebaut, waren es in den ersten neun Monaten 2009 gerade mal 341. Auch die SAGA/GWG habe aufgrund ihrer hohen Zuwendungen an den Staatshaushalt keinen finanziellen Spielraum, neue Wohnungen zu bauen.

Sozialwohnungsschwund: Durch das Auslaufen der Belegungsbindung hat sich die Zahl der Sozialwohnungen seit 2000 um 30 Prozent verringert: Von 150.000 auf gut 105.000. Besonders stark ist der Rückgang in Wandsbek, wo die Zahl der geförderten Wohnungen seit 2000 von über 40.000 auf unter 25.000 absank und zudem viele Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt wurden. Falsche Vergabe: Da entgegen den Ankündigungen der Koalition städtische Grundstücke heute häufiger denn je nach dem Höchstgebotsverfahren vergeben werden, kommen fast nur Investoren zum Zuge, die Luxuswohnungen und Büropaläste bauen. Baugenossenschaften und Bauprojekte mit sozialen Mieten haben keine Chance, statt neuem Wohnraum entsteht immer mehr Gewerbefläche. Eigentum statt Miete: Die Hälfte der städtischen Wohnbaufinanzierung fließt nach Berechnungen der Linken in die Förderung von Wohneigentum. Wo, wie an den Rändern des geplanten A 7-Deckels, größere Wohnquartiere entstehen sollen, sei ebenfalls „sehr viel Eigentum“ geplant.

Die Stadt „steuert in die falsche Richtung und treibt die Gentrifizierung so aktiv voran“, klagt Michael Joho von der Linken. Joho rechnet damit, dass „in den kommenden Jahren“ tausende Mieter sich die ansteigenden Mieten in den innerstädtischen Quartieren „nicht mehr leisten“ können und an den Rand der Stadt oder ins Umland abgedrängt werden. MARCO CARINI