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Archiv-Artikel

Gabelstapler voller Anmut

Die Ästhetisierung der Arbeitswelt schreitet voran: Bremens neueste Kulturniederlassung – die Staplerhalle am ehemaligen Überseehafen – wurde jetzt mit einer eigenen Show gewürdigt: dem „Guten Abend“ von Frauke Wilhelm und Hartmut Emig

bremen taz ■ Wie sieht es aus, wenn ein Gabelstapler „plié“ macht? Erstaunlich anmutig. Das vermutlich weltweit erste Gabelstapler-Ballett präsentierte sich jetzt an einem denkbar passenden Ort: der „Staplerhalle“ am ehemaligen Überseehafen. Zu sattem Mozart-Sound kreiselten die kleinen Gefährte über den glatten Beton der früheren Wartungshalle, ließen ihre Palettengreifer rhythmisch auf- und niedersausen und erwiesen sich als überzeugende Akteure eines veritablen Ballettplots. Thema: Die Rettung einer Prinzessin, die, von einer bösen Hebebühne entführt, in einsamer Höhe schmachtete.

Den Rahmen für diese künstlerisch wie moralisch wertvolle Intervention bot „Der gute Abend“ – die alle paar Monate stattfindende Edutainment-Show von Frauke Wilhelm und Hartmut Emig von der Kulturwerkstatt „Westend“. Die Moderatoren suchen sich dafür wechselnde Orte, deren Geschichte und Perspektiven durch verschiedene Interviewpartner beleuchtet werden. Zentral für die Zukunft von Staplerhalle und Energieleitzentrale ist Bauunternehmer Klaus Hübotter, der den seit Jahren leer stehenden Komplex zum Veranstaltungsort umfunktionieren will.

Ob das die Mühe lohnt? Die Halle, nicht gerade ein architektonisches Kleinod, besteht aus 2.000 Quadratmeter Beton-Estrich, darüber weitgespannte Träger aus dem gleichen Material. Einziger Schmuck: ein riesiges „Rauchen verboten“ an der Südwand. „Viel zu schade zum Abreißen“, findet Hübotter, außerdem brauche die gegenüber im Speicher XI angesiedelte Hochschule für Künste (HfK) dringend einen großen Saal. Hübotter plant deswegen eine flexible Tribüne für bis zu 1.000 ZuschauerInnen, veranschlagte Umbaukosten: eine Million Euro.

Die sollen vor allem für Brand- und Schallschutz, Sanitäranlagen und Technik ausgegeben werden. Ursprünglich wollte die HfK das selbst bewerkstelligen und vier Millionen Euro dafür investieren – die Hälfte wäre über Bundeszuschüsse aus dem Hochschulbauprogramm gedeckt gewesen. Aber auch die auf Bremen entfallenden zwei Millionen waren nicht zu finanzieren. Seit Freitag steht fest, dass das Bildungsressort keine Mittel beisteuern kann.

Die Konsequenz: Hübotter, der die Hallen gerade erworben hat und im Januar mit dem Umbau beginnt, wird sie in Eigenregie betreiben – wie schon die vordere Hälfte des Speicher XI, in der unter anderem Hafenmuseum, das Bremer Zentrum für Baukultur und ein Restaurant untergebracht sind. Der Hochschule soll jedoch ein Vorzugsnutzrecht eingeräumt werden. Bereits jetzt steht fest, dass die bisher im Messezentrum stattfindende „Profile Intermedia“ in die Staplerhalle zieht, auch das Musikfest hat für kommenden Sommer zwei Monate gebucht, um den großen Erfolg der hier bereits aufgeführten Mozart-Oper „Mitridate“ zu wiederholen. Dirigent Marc Minkowski nannte die Halle anschließend „das unglaublichste Opernhaus der Welt“.

Trotz allem drängt sich die Frage auf, ob es in Bremen nicht bereits jetzt ein Überangebot an Hallen dieser Größenordnung gibt – zumal Hübotter auch die „Energieleitzentrale“, von der aus sämtliche Kräne des Hafenareals mit Strom versorgt wurden, als Ausstellungs- und Seminarhaus erhalten möchte. Der Komplex werde „ein ganz spezielles Gesicht“ bekommen, antwortet Hübotter auf entsprechende Nachfragen, weder vergleichbar mit „Glocke“ noch „Pier 2“ oder gar dem Musicaltheater am Richtweg. Vor allem aber betont er: „Das Risiko tragen wir ganz allein, wir rechnen weder für Umbau noch für den Betrieb mit öffentlichen Subventionen“, meint Hübotter.

Renovierende soll man nicht aufhalten. Und falls die original Gabelstapler-Waschanlage erhalten bliebe, hätte das Haus in der Tat ein nicht zu leugnendes Alleinstellungsmerkmal. Derweil endete „Der gute Abend“ mit maritimem Liedgut aus den Kehlen der Moderatoren. Henning Bleyl