Unsinniger Druck auf Eltern

Das Kinderschutzgesetz setzt am falschen Punkt an

VON ALKE WIERTH

Gesetze sind schön und furchtbar – sie sind im Grunde so etwas Ähnliches wie die Regeln in der Mathematik. Sie formulieren Grundsätze, kalt und neutral, die blind und unter allen Umständen zu gelten haben. Gut, dass es sie gibt. Aber dem echten Leben werden sowohl das Recht wie auch das Rechnen nicht immer gerecht.

Die Idee, Eltern per Gesetz dazu zu bringen, dass sie die Vorsorgeuntersuchungen für ihre Kinder wahrnehmen, ist sicher von besten Absichten getragen. Doch können diese umgesetzt werden? Das Ergebnis ist eine kostenintensive Mahn- und Erinnerungsmaschinerie, die zwei Haken hat. Der eine: Wir wissen doch, dass Kinder verhauen wurden und verhungert sind, obwohl Jugendamt oder andere Stellen längst wussten, dass in der betroffenen Familie vieles im Argen lag. Dass dennoch nicht früh genug eingegriffen wurde, liegt nicht daran, dass entsprechende Gesetze fehlen würden. Sondern an der Überforderung der zuständigen Stellen. Kontrolle, etwa durch Vorsorgeuntersuchungen, hat nur dann Sinn, wenn man notfalls auch zügig und konsequent eingreifen kann.

Scheu vor Behörden

Der zweite Haken ist ein psychologischer: Künftig werden Eltern Mahnschreiben, gar Besuche vom Jugendamt bekommen. Es gibt nicht wenige Familien gerade in den „Risikogruppen“, die große Scheu vor Behörden haben. Sie durch Hinweise auf Paragrafen und Vorschriften weiter in die Abwehrecke zu treiben, ist kontraproduktiv. Sinnvoller sind Hilfsangebote – auch die können nur Erfolg haben, wenn die zuständigen Ämter sie tatsächlich einlösen können.