piwik no script img

Archiv-Artikel

„Fritz, mach das nicht“

Stuttgarts Enfant terrible und Anstifter Peter Grohmann will kürzer treten, den Kronprinzen hat er auch schon ausgeguckt. Der heißt Fritz Mielert und hat keine Angst vor großen Schuhen

von Susanne Stiefel

Die mütterliche Reaktion war spontan und deutlich. „Ach Gottchen, Fritz, mach das nicht.“ Und manchmal wird es auch Fritz Mielert ganz schwummrig. Etwa, wenn beim 75. Geburtstag von Oberanstifter Peter Grohmann mehrere hundert Menschen im Theaterhaus aufspringen und dem Unruhe- und Anstifter stehend applaudieren. Welche Erwartungen kommen da auf einen Nachfolger zu? Wie kann man einen ersetzen, der so vieles war und ist, Plakatekleber, Drucker, Kabarettist, Bürgerbriefschreiber, einen, der längst eine Institution geworden ist in Stuttgart, eine Art alternative Kehrwoche? Muss man da nicht alles falsch machen?

Fritz Mielert, als ehemaliger Sprecher der aktiven Parkschützer kampagnengestählt im Kampf gegen Stuttgart 21, sucht erst mal Zuflucht im Unternehmersprech. Bei den Anstiftern sei das wie bei den mittelständischen Unternehmen, wenn die Gründergeneration abtritt, sagt er: „Da braucht man ein Change Management.“ Wie auch immer das aussehen soll, auf seine Mutter hat der 33-Jährige jedenfalls nicht gehört.

Ab April 2013 oder früher wird Fritz Mielert den Stuttgarter Anstiftern den Geschäftsführer machen. Übervater und Anstiftergründer Peter Grohmann, so der Plan, wird die Geschäfte nach und nach abgeben und den Jungen einarbeiten in die spezielle Psychologie dieser aufmüpfigen, für Eigensinn und Zivilcourage bekannten Truppe, ihm die Minen verraten, auf die man tunlichst nicht treten sollte, ihm sagen, wo es Knatsch gibt und wer wie zu behandeln ist. Bei einem so bunt gemischten Haufen von Spontis über Altkader bis hin zu braven Bürgern keine leichte Aufgabe. Peter Grohmann, der Schalk mit der frechen Gosch, hat sie immer wieder alle eingefangen mit seinem Humor und seiner Unverdrossenheit. Nun soll es der Junge richten.

Kronprinz der eigensinnigen Anstifter – ein schwieriger Job

Der Alte kennt den Jungen schon in den Windeln, als er mit den Eltern Mielert gemeinsam einen Kinderladen in Stuttgart aus dem Boden gestampft hat. Anfang des Jahres hat er ihn angesprochen, ob er sich den Job als Koordinator – „das ist mir lieber als Geschäftsführer“ (Mielert) vorstellen könnte. Sie haben sich seitdem fast wöchentlich getroffen, Mielert hat brav die Ohren gespitzt, wenn der rote Großvater erzählte, hat sich die Sache gut überlegt, mit der Freundin besprochen und schließlich gesagt: „Komm, ich mach das.“ Schwierige Aufgaben haben ihn schon immer gereizt. Bewegen will er auch was. Er sprang.

Jetzt sitzt der Kronprinz im Café Stella, ab und an klingelt das Handy, einer wie Fritz Mielert ist immer und überall erreichbar, das ist noch so seit seinen alten Parkschützer-Zeiten. „Du hier?“, begrüßt er zwischendurch einen Mitstreiter von damals. „Warst du bei der Parkschützer-Demo vor der Villa Reitzenstein?“ Ja, grinst der, aber er habe zufällig einen Termin im Staatsministerium gehabt. Beruflich. Inzwischen ist der Aktivist von früher nämlich Teil der S-21-Truppe im Verkehrsministerium und eher drinnen als draußen. Die Zeiten haben sich geändert, und die Aktivisten mit ihnen. Und aus dem Parkschützer Mielert soll nun ein Anstifter werden.

Fritz Mielert ist in der Stuttgarter Szene kein Unbekannter. Anfang 2010 gründete er mit anderen die aktiven Parkschützer, war für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, stritt auch schon mal bei Maybritt Illner mit Befürwortern des Stuttgarter Bahnhofprojekts, brachte den S-21-Gegnern bei, wie man sich ankettet, gewaltfrei Widerstand leistet, sich einbetonieren lässt. Er war der Hansdampf des Protests, einer, der Tag und Nacht erreichbar war, der gerne Reden hielt bei Montagsdemos, Interviews gab und auch sonst die Öffentlichkeit nicht scheute. Manchen hat das gestört, wie der smarte Junge die Scheinwerfer auf sich zog. Doch seitdem kennt man Fritz Mielert, Sohn des grünen Bezirksbeirats Peter Mielert, in Stuttgart. Und dank Maybritt Illner sogar ein bisschen darüber hinaus.

Mit Nachfolgern ist das so eine Sache. Oft können die Alten nicht loslassen, manchmal sind die Schuhe zu groß. Und außerdem stellt sich, anders als in Monarchien oder in Nordkorea, die Frage, ob man den Kronprinz ausgucken soll oder ob die Basis mitreden darf. Das tut sie bei den Anstiftern aber auch unaufgefordert, und so manch einer traut es dem jungen Kerl nicht zu. „Er kann gut organisieren, aber er ist kein Ideengeber“, sagt etwa Gangolf Stocker, zerstritten mit Mielert seit S-21-Tagen, als die aktiven Parkschützer das Heft des Handelns an sich gerissen haben. Anstifter Stocker spricht Mielert die erforderliche Empathie ab.

„Ich will nicht Peter der Zweite werden“

Der weiß, dass ihn längst nicht alle Anstifter mögen und die Erwartungen hoch sind. Der kluge Mann baut vor, Fritz der Erste sagt: „Ich möchte nicht Peter der Zweite werden.“ Den Menschenfänger Peter Grohmann kann sowieso keiner ersetzen. Als Organisator allerdings hat sich Mielert schon bei Greenpeace und Campact hervorgetan, und auch Facebook und Twitter geht immer, gerne schon mal kurz vor der Friedensgala: „Planlos im backstage“. Dort sollte er im Theaterhaus gemeinsam mit Peter Grohmann das traditionelle letzte Wort haben, alle waren gespannt. Doch wer eine Grundsatzrede erwartet hatte, wurde enttäuscht. Es reichte nur für einen kurzen, improvisierten Auftritt.

„Ich kann Ideen fliegen lassen“, sagt Fritz Mielert in einer Mischung aus Trotz und Selbstbewusstsein und rudert vor seinem Apfelsaftschorle mit den Armen, als wolle er sofort und auf der Stelle abheben. Und überhaupt: Er sehe sich als Lernenden, einen der zuhört, der Hilfestellung bietet für die Ideen der anderen. Ob das genügt, wird sich zeigen. Ein Schutz vor möglichem Scheitern ist diese demonstrative Demut allemal.

Fritz Mielert hat Stuttgart eigentlich nie verlassen. Hier ist er geboren, hier hat er nach der Scheidung der Eltern Greenpeace aufgebaut, hier hat er Architektur studiert, später als Hiwi bei Professor Werner Sobek gearbeitet, bis er gekündigt hat, weil der ein strikter Befürworter von S 21 ist und er als Aktivist sowieso keine Zeit mehr hatte. Nach der Landtagswahl hat sich der aktive Parkschützer verabschiedet ins kleine Verden bei Bremen, weil er den Eindruck hatte, dass S 21 doch nicht mehr zu verhindern ist. In Verden arbeitet er noch bis zum Februar 2013 bei Campact und tut, was er am besten kann: Er organisiert Kampagnen für eine bessere Welt und gegen Fracking, für die Energiewende und gegen Waffenexporte.

Nun kommt er wieder zurück, als Ober-Anstifter mit einem Honorar von 2.000 Euro im Monat und nicht ungern, wie halt alle Schwaben. Seine Freundin arbeitet in Schwäbisch Hall im Büro des Grünen Bundestagsabgeordneten Harald Ebner. Fritz Mielert, der von sich selber sagt, „Ich bin effizient im Chaotischen“, freut sich auf seinen neuen Job. Diese Effizienz wird er brauchen können bei der Selbstdefinition der Anstifter, die sich so liest: „Wer die Anstifter unterstützt, kann mehr oder weniger katholisch sein oder Freidenker, Marxistin, liberal oder konservativ. Vielfalt und Unabhängigkeit sind unsere Stärken.“ Bei diesem eigensinnigen Verein ist alles möglich.

Und so versteht sich Fritz Mielert als Anstifter-Lehrling mit guten Zeugnissen von S 21 und Campact und Greenpeace und als Teil des Triumvirats Ebbe Kögel und Peter Grohmann. Sein Part ist die Organisation. Als Revoluzzer wie Ebbe Kögel oder als Unruhestifter wie Peter Grohmann sieht er sich nicht.