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Archiv-Artikel

Arbeit statt Geldbuße oder Arrest

Unter dem Dach der Diakonie bietet die Integrationshilfe Berlin Projekte für jugendliche Straftäter. Die Arbeit ist erfolgreich, die Rückfallquote gering. Doch noch immer ist die Finanzierung unsicher

VON ANNE MÄRTENS

„Prävention und Hilfe – eine neue Chance für ein Leben ohne Strafen“ – dafür stehen der diakonische Träger Evangelisches Jugend- und Fürsorgewerk (IJF) Lazarus und die Integrationshilfe Berlin gemeinsam ein. Ausschlaggebend für die Fusion Anfang Oktober waren finanzielle Schwierigkeiten der Berliner Integrationshilfe. Bewährte Projekte werden nun unter einem Dach fortgeführt. Ziel ist es, durch erzieherisches Eingreifen auffällig gewordene Jugendliche vor weiteren kriminellen Handlungen zu bewahren.

So können beispielsweise straffällig gewordene Jugendliche aus Berlin und Brandenburg, die per Haftbefehl gesucht werden, auf richterlichen Beschluss in stadtferne pädagogische Einrichtungen eingewiesen werden. Dort bereiten Betreuer die Jugendlichen auf ihre Gerichtsverhandlungen vor und erarbeiten mit ihnen individuelle Konzepte für ein straffreies Leben.

Ein seit 1982 bewährtes ambulantes Projekt trägt den Namen „Brücke“. Es gestaltet Strafmaßnahmen erzieherisch. Statt ein Bußgeld zu zahlen oder im Arrest zu sitzen, verrichten die Jugendlichen betreute Freizeitarbeit in einer Fahrrad- oder Holzwerkstatt oder nehmen an Anti-Gewalt-Seminaren und Beratungen teil. Das Projekt ist interkulturell ausgerichtet. Jugendliche mit Migrationshintergrund sind überproportional vertreten. Daher werden auch Betreuer mit unterschiedlicher Herkunft eingesetzt, um das Vertrauen der Jugendlichen zu gewinnen. Im vergangenen Jahr wurden dem Projekt 1.300 Fälle vom Jugendrichter zugewiesen. Drei Viertel der Jugendlichen, die daran teilnahmen, werden anschließend nicht mehr straffällig. „Dies ist eine sehr hohe Zahl im Vergleich zu anderen Maßnahmen. Wenn man früh genug mit präventiven Maßnahmen anfängt, kann man auch etwas bewirken“, sagt Detlef Bischoff, Vorsitzender der Integrationshilfe.

Ein anderes Projekt, welches sich an die Jugendlichen richtet, ist der Täter-Opfer-Ausgleich. Geschädigte und Beschuldigte werden hinsichtlich des entstanden Konflikts beraten. Der Konflikt soll aufgearbeitet werden, um eine spätere Eskalation zu vermeiden. Dadurch werde das Geschehene verarbeitet und manchmal auch eine positive Einflussnahme auf den Strafprozess erwirkt. Auch können im Rahmen der Ausgleichsverhandlungen Wiedergutmachungsleistungen festgelegt werden. Dafür steht ein so genannter Opferfonds zur Verfügung. Kann ein Täter die ausgehandelte Summe nicht aufbringen, wird ihm ein Darlehen aus dem Opferfonds gewährt. Mit gemeinnütziger Arbeit, für die 6 Euro die Stunde gezahlt werden, können die Schulden abgearbeitet werden.

Alle Resozialisierungsmaßnahmen basieren auf Zuweisungen der Jugendrichter. In den vergangenen zehn Jahre erhielt die Integrationshilfe vom Senat einen festen Geldbetrag für ihre Projektarbeit. Nun soll die Finanzierung geändert werden, indem jede Zuweisung einzeln mit einer Fallpauschale abgegolten wird. Die muss der Stadtbezirk zahlen, aus dem der betreute Jugendliche stammt.

Doch in der jetzigen Übergangsphase sind die Zahlungsmodalitäten ungeklärt: Die Integrationshilfe hat seit August kaum Einnahmen; jugendliche Straftäter werden aber weiter zugewiesen. Die drohende Insolvenz wurde durch die Fusion mit der finanzkräftigeren EJF-Lazarus verhindert. Dennoch hoffe man auf eine schnelle Klärung und auf eine Zahlungsbereitschaft der Bezirke, sagt Bischoff. „Müsste die Stadt selbst solche Maßnahmen organisieren, würde es mehr Geld kosten“, erklärt Bischoff. Daher müsse eine schnelle Klärung auch im Interesse der Bezirke liegen.