Berliner Szenen: Blonder Wedding
Der Hund
Eine Gruppe Männer steht vor dem Kiosk in der Malplaquetstraße. Vor dem, der Gummifrösche für 5 Cent hat, und die Haie kosten 50. Und obwohl die Kioskbesitzer rauchen, schmecken die Gummitiere gar nicht nach Kippe. Draußen künden die Zeitungsaufsteller vom Thin white Duke. Und davor diese Männer. Das Gegenteil von Bowie. Groß sind sie, klobig und breitbeinig. Sie reden irgendwas mit „Ey!“. Ein großer Hund ist auch dabei. Ein sehr großer Hund.
Kurze Erleichterung, mit Kleinkind unterwegs zu sein. So ein Kind macht ein bisschen unsichtbarer. Mit Kind wurde ich noch nie dumm angemacht. Trotzdem wappne ich mich automatisch, richte mich auf. Versuche, während ich das Kind davon abhalte, die schmutzige Stufe zum Kiosk zu erklimmen, die Männer zu scannen. Was sind das für welche?
Wedding. Blonder Wedding. Es ist Nachmittag, sie halten Bierflaschen, rauchen und reden von irgendeiner „Sache“, zu der sie nicht jetzt schon loswollen, ey, weil sie „echt keinen Bock haben, davor noch’ne halbe Stunde zu warten“. Was für’ne Sache, denke ich. Fußballspiel? Bisschen Randale machen? Oder so eine Bärgida-Nummer? Aber dann hier im Wedding? Das passt alles nicht so richtig. Doch bloß fertige Druffies?
Das Kind zeigt auf den Hund.
„Da!“
„Ja. Das ist ein Hund“
Der Mann, der die Leine mit dem Hund dran festhält, das Herrchen also, schwankt bedrohlich.
„Da!“
„Ja. Ein großer Hund.“
Das Herrchen hebt die Schultern und zieht die Nase hoch. Dann guckt er mich an. Seine Augen sind nass.
„’tschuldigung“, presst er hervor. „Er wird gleich eingeschläfert.“
„Oh“, sage ich. „Das tut mir leid.“ Dann schäme ich mich. Aber nur kurz. Kirsten Reinhardt
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen