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Archiv-Artikel

Steinbrücks Beinfreiheit

SPD Mindestlohn, Mietobergrenzen, höhere Steuern für Reiche: Mit sozialen Themen will Kanzlerkandidat Steinbrück punkten. Schlagzeilen machen aber alte Geldgeschichtchen

1998 wollte Steinbrück Sparkassen-Präsident werden. Kennt er die Gehälter daher so gut?

VON ANDREAS WYPUTTA

BOCHUM taz | Mit einer Charmeoffensive bemüht sich Peer Steinbrück einmal mehr um ein sozialdemokratisches Image. Sollte er die Bundestagswahl im Herbst gewinnen, gehöre ein Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde „zu den ersten Maßnahmen unseres 100-Tage-Programms“, kündigte der SPD-Kanzlerkandidat in einem Interview an, das er dem Tagesspiegel am Sonntag gegeben hat.

Weitere Elemente von Steinbrücks sozial angehauchter Kampagne sind eine Höchstgrenze für Mieterhöhungen bei Neuverträgen und eine leichte Steigerung des Spitzensteuersatzes, den der aktuelle Herausforderer und einstige Finanzminister der großen Koalition auf 49 Prozent steigen lassen will.

Eine arbeitnehmernahe Ausstrahlung hat Steinbrück nötiger als je zuvor. Mittlerweile spotten selbst Sparkassenvertreter über den Kandidaten, der kurz nach Weihnachten geklagt hatte, das KanzlerInnengehalt von 17.000 Euro monatlich zuzüglich Zulagen sei zu gering.

„Nahezu jeder Sparkassendirektor in Nordrhein-Westfalen verdient mehr als die Kanzlerin“, hatte der einstige Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslands in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung geklagt. Steinbrück müsse sich entscheiden, „ob er sich als Bundeskanzler oder Sparkassendirektor bewerben will“, keilte der Sparkassenverband im gleichen Blatt an diesem Wochenende zurück.

Offenbar hatte der Sozialdemokrat tatsächlich einst über den Notausstieg in Richtung Sparkasse nachgedacht. Schon 1998 habe Steinbrück, damals Wirtschaftsminister unter Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis, mit dem Job des dortigen Sparkassenpräsidenten geliebäugelt, berichtet die FAS nun mit Genuss. Mit 400.000 Mark jährlich hätte er mehr verdient als seine Chefin. Doch Simonis blockierte offenbar die Ernennung ihres Ministers – schließlich hatte der immer für einen Spruch gute Steinbrück zuvor gemosert, Schleswig-Holstein verdiene mehr als „Klein-Klein auf Pepita-Niveau“, eine Anspielung auf die Regierungschefin, die gern Kostüme mit dem Karomuster Pepita trug.

Simonis drohte öffentlich mit Entlassung, Steinbrück musste nach NRW fliehen. Als Finanzminister landete er dort doch noch auf den Gehaltslisten der Sparkassen: Als Aufsichtsrat bei deren Zentralinstitut WestLB erhielt er 25.000 Mark jährlich. Die führte er zwar vorschriftsmäßig zum Großteil an die Landeskasse ab. In die Schlagzeilen geriet Steinbrück trotzdem: Allzu oft ließ sich der Minister während der Sitzungen vertreten – von den existenzbedrohenden Fehlspekulationen der mittlerweile abgewickelten Landesbank bekam Steinbrück nichts mit.

Die Sparkassen-Anekdote kommt für Steinbrück zur Unzeit. Der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel mahnt diese Woche im Spiegel, Steinbrück solle „eher die Löhne und Renten der ganz normalen Arbeitnehmer“ und nicht „Spitzengehälter in Politik und Wirtschaft“ im Blick behalten. In einer Emnid-Umfrage hatten 72 Prozent der Befragten Steinbrück widersprochen: Das KanzlerInnengehalt sei nicht zu gering, befanden sie. Die SPD liegt mit 27 Prozent in den Umfragen derzeit 13 Punkte hinter der CDU.