: Klimagelder verweigert
PARLAMENT Deutschland gibt den Entwicklungsländern keine zusätzlichen Mittel zur Anpassung an die Erderwärmung. Das beschließt die schwarz-gelbe Bundestagsmehrheit
HERMANN OTT (GRÜNE)
VON SARAH MESSINA
Deutschland wird Entwicklungsländern keine zusätzlichen Gelder zur Anpassung an den Klimawandel zur Verfügung stellen. Das beschlossen drei Tage vor Beginn der Weltklimakonferenz in Kopenhagen die Regierungsfraktionen von Union und Liberalen im Bundestag. Alle Klimahilfen, die die Bundesregierung in Kopenhagen eventuell zusagen wird, sollen demnach vom Entwicklungshilfetopf abgebucht werden.
Der Antrag gilt als Richtlinie für die bevorstehenden Klimaverhandlungen. Man wolle „die Beiträge zur Finanzierung des internationalen Klimaschutzes“ auf das Ziel „anrechnen“ bis zum Jahr 2015, genau 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben“. Ursprünglich hatten sich die Industrieländer im Jahr 2000 im Rahmen der Millenniumsziele zu dieser Zielmarke verpflichtet: Die Mittel sollten etwa zur Halbierung der Zahl der Hungernden oder zum Stopp der Wüstenbildung eingesetzt werden.
Nun will die Bundesregierung die Klimaschutzhilfen mit der Armutsbekämpfung verrechnen. Und die Entwicklungsländer sollen dafür einen Beitrag leisten: Gemäß Beschluss sollen die Empfängerländer „mindestens 15 bis 30 Prozent ihrer Treibhausgase gegenüber dem gegenwärtig erkennbaren Emissionstrend“ bis 2020 reduzieren.
Der bündnisgrüne Hermann Ott bezeichnete den Regierungsantrag als Politik aus dem „finstersten 20. Jahrhundert“. „Damit sich die armen Länder beteiligen, muss ihnen ein faires und konkretes Angebot gemacht werden.“ Der Regierungsantrag sei aber das genaue Gegenteil. Die Klimaverhandlungen würden sich nun verkomplizieren.
Vor zwei Jahren hatte Deutschland auf der UN-Klimakonferenz auf Bali zugesagt, den Entwicklungsländern zusätzliches Geld zur Anpassung an die Erderwärmung zur Verfügung zu stellen. Zudem stellten die Industrieländer im Rahmen des Bali Action Plans finanzielle Unterstützung zum Technologietransfer in Aussicht. Diese „Zusätzlichkeit“ sei aber mit der Zusammenlegung von Klimaschutz und Armutszielen nicht mehr gewährleistet, kritisieren nun Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam oder Germanwatch.
Seit der Konferenz auf Bali konnten sich die reichen Länder nicht durchringen, konkrete Zahlen zu nennen. Die Hilfen gelten als Voraussetzung dafür, dass sich viele ärmere Länder am neuen Klimavertrag beteiligen. Die Weltbank hat bereits den Bedarf auf 75 bis 100 Milliarden Dollar jährlich beziffert. Weder die EU noch die Bundesregierung haben bislang konkrete Zusagen gemacht – „aus taktischen Gründen“, wie es heißt . Vor allem afrikanische Länder wollen nicht eher verhandeln, bis ihnen ein ausreichendes Angebot gemacht wurde.
Der neue Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) meint dagegen, dass die Anrechnung der Klimahilfen auf das Millenniumsziel ein „fairer und angemessener Anteil“ seien: „Klimaschutz und Entwicklungsarbeit sind nicht voneinander zu trennen.“
Meinung + Diskussion SEITE 12