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Archiv-Artikel

Ungeschlossener Mund

Feuerbergstraße: Demonstrative Rückendeckung der CDU in der Bürgerschaft für ihre angeschlagene Sozialsenatorin. Opposition besteht auf Schnieber-Jastrams Entlassung

Der Bürgermeister bewies ungewöhnlich viel Geduld. Eineinhalb Stunden lang lauschte Ole von Beust (CDU) gestern der hitzigen Debatte über das Geschlossene Heim Feuerbergstraße in der Bürgerschaft, hörte sich die lange Liste der Vorwürfe der Opposition gegen seine Stellvertreterin und Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram an, nahm ein halbes Dutzend Forderungen nach deren Rücktritt oder Entlassung zur Kenntnis. Und als Schnieber-Jastram nach ihrer Rede wieder ihren Platz auf der Senatsbank neben dem Regierungschef einnahm, legte er ihr kurz die Hand auf die Schulter. Eine Anerkennung für ihren Wortbeitrag aber kann das nicht gewesen sein.

Seit Jahren hat kein unter massiven Beschuss geratenes Senatsmitglied sich so defensiv in der Bürgerschaft verteidigt wie die 59-Jährige gestern. „Ständiges Wiederholen falscher Vorwürfe“ attestierte sie den Abgeordneten von SPD und GAL in der ihr eigenen unterkühlten Art, und das von der Opposition unterstellte „Chaos“ in der Feuerbergstraße „gab und gibt es nicht“. Das Geschlossene Heim „bleibt notwendig“, erklärte Schnieber-Jastram, Rote und Grüne aber wollten „das Heim nur schlecht machen“. Sprach‘s, nahm ihren Sitz wieder ein und spürte die Hand des Chefs auf sich lasten.

In zehn Beiträgen ließen Abgeordnete von SPD und GAL die Chronik der Skandale und Rechtsbrüche in der Feuerbergstraße Revue passieren, die zum größten Teil in den vergangenen zwei Wochen bekannt geworden waren (taz berichtete mehrfach). Widersprüche in den Stellungnahmen der Behörde wiesen sie nach und Ungereimtheiten in den offiziellen Aussagen des Senats, die Untätigkeit der Sozialbehörde und ihrer Senatorin belegten sie an zahlreichen Beispielen – und wurden anschließend von Kai Voet van Vormizeele (CDU) belehrt, sie hätten „das moralische Recht verloren, über unsere Politik zu urteilen“.

Die Senatorin stelle sich „als Opfer dar“, fasste Christiane Blömeke (GAL) zusammen, in Wahrheit aber sei sie „eine Serientäterin“. In mehreren Fällen habe sie „ihre Fürsorgepflicht für die in staatlicher Obhut lebenden Kinder grob fahrlässig verletzt“, befand Thomas Böwer (SPD). Schnieber-Jastram habe von den Missständen und Rechtsbrüchen in dem Geschlossenen Heim „immer gewusst und bewusst nichts getan“, urteilte sein Fraktionschef Michael Neumann. „Persönliches und politisches Fehlverhalten in höchstem Maße“ attestierte ihr GAL-Fraktionsvorsitzende Christa Goetsch.

„Puren Populismus“ warf CDU-Jugendpolitiker Klaus-Peter Hesse daraufhin der Opposition vor. Und behielt seinen Verdacht nicht für sich: „Sie hängen doch sozialromantischer Kuschelpädagogik nach.“ Er hätte besser geschlossenen Mund bewahrt. Sven-Michael Veit