Berlin bleibt skeptisch

Verlagskäufer Montgomery versucht im Interview alle Zweifel zu zerstreuen. Zukunft der Chefredaktion unklar

Liegt es an der Ankündigung von „Neu-Berliner“ David Montgomery, er werde das Management des Berliner Verlags mit bis zu zehn Prozent am Unternehmen beteiligen? Gestern jedenfalls herrschte neben demonstrativem (Selbst-)Lob nur noch gesunde Skepsis in Sachen Übernahme der Berliner Zeitung durch den britischen Medienmanager mit dem schlechten Ruf.

Absurdes Lob

Der verstieg sich in seinem langen Antrittsinterview in der Berliner Zeitung zu überzogenen Komplimenten: „Die Berliner Zeitung legt mehr Wert auf Qualität als die Zeitungen in London, selbst die überregionalen Blätter.“ Und Angst müsse schon gar niemand vor ihm haben: „Ich bedrohe Sie nicht“, sagte Montgomery, und der erbitterte Protest der Belegschaft inklusive Chefredaktion, die Heuschreckenkampagne der letzten Woche, werde auch keine Konsequenzen haben: „Journalisten schreiben gern übereinander“, so der neue Verlagsbesitzer (Berliner Zeitung, Kurier, Tip). „Ich bewundere Chefredakteure, die Rückgrat haben, und ich bewundere Zeitungen, die Rückgrat zeigen. Bei mir hinterlässt das keine Bitterkeit, kein böses Empfinden.“

Konkrete Aussagen zur künftigen Strategie, wenigstens den Hauch einer Antwort auf die Frage „Wie geht es weiter“, findet sich im Interview kaum. Was die Berliner Zeitung selbst von dem Ganzen hält, ließ sich eher indirekt an der Platzierung ablesen: Das Interview mit dem neuen Chef fand sich – vom Ressort her völlig korrekt – im Medienteil auf Seite 34. Die den wirklich großen Geschichten vorbehaltene Seite 3 füllte dagegen der Dank an die Unterstützer, die in mehreren Anzeigen (Frankfurter Rundschau, taz) gegen den Verkauf protestiert hatten, sowie eine zurückhaltende Note von Chefredakteur Uwe Vorkötter an die Leser: Die „Skepsis gegenüber den neuen Eigentümern ist nicht ausgeräumt“, schrieb Vorkötter. Doch Montgomery habe „in aller Form“ jetzt „weitreichende Zusagen“ zur künftigen journalistischen Qualität des Blattes gemacht.

Für Interviews steht Uwe Vorkötter derzeit nicht zur Verfügung. Doch in Richtung Stuttgarter Zeitung, wo er selbst mal Chefredakteur war, gab es ein paar Worte mehr: Er könne nun schlecht „das Gegenteil von damals behaupten“ und sagen, „alles wird gut“, zitiert ihn das Blatt. „Auf Samtpfötchen“ sei Montgomery dahergekommen. Das Interview, das er in seinem Text in der Berliner Zeitung noch „zurückhaltend“ und „verantwortungsbewusst“ nennt, hinterlasse ihn in Wahrheit ratlos. Die Belegschaft habe er gebeten, ihm mit der endgültigen Entscheidung, ob er bleibt, noch ein paar Tage Zeit zu geben, „um sich zu sortieren“. Überhaupt keine guten Worte hat Vorkötter für den Verkäufer: Der Holtzbrinck-Konzern habe „uns verkauft und vielleicht auch verraten“.

Holtzbrinck sauer

Doch davon konnte bei Konzern-Primus Stefan von Holtzbrinck keine Rede sein: „Ich möchte uns gern an den Erfolgen bei unseren Buchverlagen oder dem Handelsblatt oder der Zeit gemessen sehen – nicht aber an Vorverurteilungen gegenüber Dritten“, meldete sich der Unternehmenschef in der Süddeutschen Zeitung zu Wort. STG