Besser warten
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Dreist Auch mal vordrängeln, raten PsychologInnen. Es sei eine wichtige Empowerment-Erfahrung, seine Bedürfnisse in der Öffentlichkeit zu äußern. Das Selbstwertgefühl steigt mit der Position in der Warteschlange. Was ist mit Knigge? An andere denken? Keine Zeit.

Mit Ziel So verhasst das Warten ist, für AlzheimerpatientInnen stellt es einen Anker dar. Sie warten an einem Ort, der nie von einem Bus angefahren wird. Solche Phantomhaltestellen werden vor deutschen Pflegeheimen platziert. Ausgebüchste HeimbewohnerInnen können so leichter eingesammelt werden.

Mobil Auf den Aufzug gewartet. Die Rampe hinunter gefahren. Durch die Masse gedrängt. Rollstuhlfahrer brauchen in Berlin für eine U-Bahnfahrt von Neukölln bis Stadtmitte zehn bis fünfzehn Minuten länger als mobile Menschen. Hochgerechnet auf das ganze Jahr sind das mehrere Tage.

Gesund Die FreundInnen warten zu Hause. In den Händen dampft eine Pizza. Hungrig warten scheint unmöglich. Kurz knabbern kann ja nicht schlimm sein. Trotzdem lohnt es sich, Geduld zu haben. Im Gehen zu schlingen, sei schlecht für die Verdauung, predigen ErnährungswissenschaftlerInnen.

Tanzend Schweiß rinnt die Stirn herunter. Das Herz pocht zum Rhythmus. Die Menge hält inne. Spannung steigt, vibriert regelrecht. Wenn der Bass einschlägt, gleicht er einem Kuss. Intensiv erst durchs Warten. Pausen in der Musik schaffen Rhythmus und Spannung wie Interpunktion in der Sprache.

Zusammen Fernbeziehung heißt warten im Dauerzustand. Laut Statista sind nur fünf Prozent der Deutschen dazu bereit, sollte sie vier Jahre oder länger dauern. Steht jedoch in Aussicht, in eine gemeinsame Wohnung zu ziehen, ist die Hälfte bereit alleine, zu schlafen.

Informiert In 30 Minuten ist ein AIDS-Schnelltest ausgewertet. Genug Zeit, um sich selbst schon für tot zu erklären. In Deutschland sind 83.000 Menschen HIV-positiv. Die Zahl der Neuinfektionen lag 2014 unverändert bei 3.200. Statistisch ist die Wahrscheinlichkeit einer Infektion gering. Nur ein langwieriger Labortest kann endgültige Gewissheit geben. Doch fünf Tage zu Hause ausharren, ist weniger schlimm, als im Wartezimmer zwischen den ganzen Ratgebern und Infobroschüren zu sitzen.

Gar nicht Zen-Buddhisten warten nicht. Sie gewichten ihr Leben nicht in besondere Ereignisse, zwischen denen wenig passiert. Sondern würdigen den Moment. Abgeschlossene Lebensabschnitte kennen sie nicht. Baran Datli, Milan Ziebula