: Fiese Nazis in Hollywood spielen
EXILKINO Geflohene Filmschaffende schufen in Hollywood das Genre des Anti-Nazi-Exilfilmes. Die taz sprach mit Hans-Michael Bock von CineGraph – Hamburgisches Centrum für Filmforschung e.V.
INTERVIEW GASTON KIRSCHE
Heute beginnt im Metropolis Hamburg eine Reihe mit Exilfilmen. Seit Gründung der Hamburger Kinemathek ist die Erforschung des Exilfilms eines ihrer zentralen Anliegen. Jetzt laufen drei Filme, zu denen es jeweils eine Einführung geben wird. „Me and the Colonel“, den Peter Glenville 1958 drehte. Die Vorlage war Franz Werfels „Jacobowsky und der Oberst“ .
„Hitler’s Madman“ drehte der in Hamburg als Detlev Sierck geborene Douglas Sirk 1943. Der Film über die Ermordung von Reinhard Heydrich, des „Schlächters von Prag“, und die brutale Vernichtung von Lidice und Ležáky als Vergeltung der Deutschen wurde von Seymour Nebenzal produziert. „So Ends Our Night“ basiert auf einer Romanvorlage von Erich Maria Remarque. 1941 verfilmte John Cromwell die Geschichte einer Gruppe von NS-Flüchtlingen, die, 1937 in einem Wiener Hotel gestrandet, auf Rettung hoffen. Als Schauspieler dabei: Erich von Stroheim, Ernst Deutsch, Alexander Granach und viele weitere Exilanten. Zum Exilfilm ein Interview mit Hans-Michael Bock von CineGraph – Hamburgisches Centrum für Filmforschung e.V.
taz: Welche Bedeutung hatten die Exilanten aus den von Nazis besetzten Ländern in Hollywood?
Hans-Michael Bock: Die Situation in Hollywood war ziemlich kompliziert: Es gab ja eine ganze Anzahl von Exilanten aus der deutschen Filmindustrie: Leute, die wegen der Rassengesetze oder aus politischen Gründen Deutschland verlassen mussten. Doch es gab wichtige zeitliche Verschiebungen zur Situation in Europa. Die wichtigste zeitliche Diskrepanz liegt natürlich darin, dass die Verfolgung in Deutschland ab 1933 einsetzte, verschärft nach der Olympiade 1936, im übrigen Europa dann ab 1939 mit Kriegsbeginn. Die USA waren aber bis 1941 zumindest offiziell neutral und Hollywood-Filme liefen bis zirka 1940 auch in deutschen Kinos. Zwar eingeschränkt, aber die Hollywood-Studios hatten da natürlich kommerzielle Interessen, ihre Filme weiterhin ins Reich zu verkaufen.
Aber es gab doch auch offene Konflikte?
Filme, in denen „bekannte Juden“ aus Deutschland beschäftigt waren, konnten in den 1930ern im Reich und Österreich nicht verliehen werden. Das ließ auch die Bosse der großen Studios, die eigentlich gegen die Nazis waren, wie die eher realitäts-orientierten Warner Bros. vorsichtig mit offen politischen Stoffen umgehen. Als erster offener Anti-Nazi-Film gilt „Confessions of a Nazi-Spy“, den Warner Bros. 1939 unter Beteiligung zahlreicher Emigranten vor und hinter der Kamera drehten.
Aber es gab doch auch offene Konflikte?
Filme, in denen „bekannte Juden“ aus Deutschland beschäftigt waren, konnten in den 1930ern im Reich und Österreich nicht verliehen werden. Das liess auch die Bosse der großen Studios, die eigentlich gegen die Nazis waren, wie die eher realitäts-orientierten Warner Bros. vorsichtig mit offen politischen Stoffen umgehen. Als erster offener Anti-Nazi-Film gilt „Confessions of a Nazi-Spy“, den Warner Bros. 1939 unter Beteiligung zahlreicher Emigranten vor und hinter der Kamera drehten.
Welche Chancen hatten die aus dem Deutschen Reich geflohenen Filmschaffenden?
Es gab eine die soziale Spaltung zwischen Künstlern, die durch ihre deutschen Filme vorher schon in den USA gearbeitet hatten oder zumindest bekannt waren, die durch persönliche Beziehungen zu bereits etablierten Film-Migranten wie Ernst Lubitsch oder Wilhelm Dieterle aus dem Stummfilm und der frühen Tonfilmzeit leichteren Einstieg fanden.
Es gab aber auch altersbedingte Probleme. Während sich einige geschmeidig an das Studio-System anpassen und einfügen konnten wie Fritz Lang, der ja in Berlin noch politisch fest im nationalistischen Lager beheimatet war, gab es Ältere, wie Joe May, die aus Babelsberg gewöhnt waren, dass sie als Regisseur und Produzent die absoluten Herren waren und so bald in Konflikt mit den amerikanischen Studio-Bossen gerieten.
Und die Sprachbarriere?
Die war ein Dilemma für die Schauspiel-Emigranten: Da sie ja zumeist Englisch nur mit einem dicken Akzent sprechen konnten, waren sie in der Regel gezwungen, in den Anti-Nazi-Filmen gerade die fiesen Nazis zu spielen, so in „Hangmen also die“ Reinhold Schünzel und Alexander Granach die Gestapo-Leute, H. H. von Twardowsky den Heydrich, während die positiven Rollen mit „eingeborenen“ amerikanischen oder britischen Stars besetzt wurden.
Welche Rolle spielten die kleineren Produzenten?
Ein wichtiges ökonomisches Element war ab 1939/40 das Aufkommen unabhängiger Produzenten neben den Majors. Die Independents die dann in den 1940ern durch das juristische Vorgehen der Regierung gegen die Monopol der Studios gestärkt wurden, waren oft auch Exilanten, wie Nebenzal oder Arnold Pressburger, die die Filme dann über Verleihorganisationen wie United Artists in die Kinos brachten.
Wie verhielten sich die Anti-Nazi-Filme zu den klassischen Hollywoodfilmen?
Inhaltlich wie formal benutzten die Anti-Nazi-Filme natürlich etablierte Genremuster wie Melodram oder Thriller, was dann auch zur Folge hatte, dass die Gestalten nicht politisch differenziert gezeichnet wurden, sondern optisch und im Dialog sehr grob und scherenschnittartig gezeichnet wurden.
Und trotzdem kamen die Anti-Nazi-Filme anders als andere Hollywoodfilme nach der Niederlage der Deutschen 1945 nicht in die Kinos?
Die Anti-Nazi-Filme kamen natürlich Ende der 1940er und in den 1950ern in der Bundesrepublik nicht heraus. Das setzte erst später ein, als die Exilforschung intensiviert wurde und ab Ende der 1960er auch den Film entdeckte. Da gab es dann unter anderem eine vom damaligen Filmkritiker Hans Christoph Blumenberg zusammengestellte Retrospektive des Abaton-Kinos und der AG Kino.
Die Ausnahme war Casablanca?
Ja. Casablanca war zwar zu weiten Teilen mit Exilanten besetzt, sollte aber wegen seiner internationalen Popularität auch in West-Deutschland ausgewertet werden. Der 1942 gedrehte Film, eigentlich 108 Minuten lang, kam 1952 in einer um 20 Minuten gekürzten Fassung ins Kino. Man hat einfach alle Szenen mit dem von Conrad Veidt verkörperten „bösen Nazi“ herausgeschnitten, auch auf dem Standard-Plakat fehlt dessen Name.
Exil, Film! Filme über Faschismus und Exil. Ab 10. 1. im Metropolis, Kleine Theaterstraße 10, Hamburg