Der ewige Kim Jong Il
Die Welt spekuliert über die Nachfolge des nordkoreanischen Herrschers. Das Überleben des Landes hängt jedoch an China
PJÖNGJANG taz ■ Wer in diesen Tagen in Pjöngjang nach der Zukunft des Arbeiterparadieses und seiner politischen Führung fragt, erhält die stereotype Antwort: „Genosse General Kim Jong Il ist gesund und begeistert bei der Arbeit.“ Spekulationen im Ausland, der Herrscher werde zum 60. Parteigeburtstag im Oktober der Welt verraten, wer ihm an der Spitze folgen soll, seien „völlig sinnlos“, erklärte jüngst Choe Jong Hun vom Komitee für den Kulturaustausch mit anderen Ländern.
Als die taz nachbohrte, ob „künftig eine Frau Nordkorea regieren“ könne, lief er hochrot an und rief – nur halb im Scherz: „Wenn Sie keine Frau wären, würde ich Sie jetzt aus dem Bus werfen.“
Im patriarchalischen Nordkorea, dessen 1994 verstorbener Staatsgründer Kim Il Sung als Präsident „auf Ewigkeit“ aus dem Jenseits weiter herrscht, gilt jeder Hinweis auf die Sterblichkeit seines Sohnes Jong Il als Gotteslästerung. So würde es niemanden erstaunen, wenn der 63-jährige „Liebe Führer“ die dynastische Tradition seines Vaters fortsetzt. Der alte Kim hatte den Playboy Jong Il bereits 1980 zum politischen Erben erkoren.
Koreaexperten fragen sich daher, warum Kim Jong Il bislang keinen seiner Söhne als Nachfolger benannt hat. Steckt ein Machtkampf zwischen Militär und Partei dahinter oder Eifersucht innerhalb der Familie?
Kim hat mindestens drei Söhne. Sie gingen offenbar alle in der Schweiz zur Schule. Der älteste, Kim Jong Nam, 34 Jahre alt, machte Schlagzeilen, als er mit seinem Sohn und einem gefälschten Pass der Dominikanischen Republik auf dem Flughafen in Tokio festgehalten wurde. Er habe Disneyland besuchen wollen, erklärte er. Danach soll der Computerspezialist beim Vater in Ungnade gefallen sein. Mehr Chancen könnte Sohn Nr. 2 haben, Kim Jong Chul. Der 26-Jährige soll in der ZK-Abteilung „Zentrale Führung“ arbeiten. Andere Kandidaten scheinen nicht in Sicht.
Bisland hat das Regime der Kims den katastrophalen Niedergang der Wirtschaft nur überlebt, weil es interne Feinde beseitigte. Und weil Peking weiter bereit ist, es zu stützen. Nach einigen Schätzungen erhielten die Nordkoreaner in den letzten Jahren bis zu 90 Prozent ihres Brennstoffs und 40 Prozent der Nahrungsmittel aus China. Zum Parteigeburtstag im Oktober habe der Liebe Führer 10.000 Tonnen Öl aus der Volksrepublik erhalten, berichten südkoreanische Zeitungen. 2002 soll Peking drei Tage lang die Ölzufuhr unterbrochen haben – um die Nordkoreaner an den Verhandlungstisch zu zwingen.
Zugleich wächst der Handel zwischen beiden Ländern: 2004 betrug der Anteil der chinesischen Im- und Exporte am gesamten Außenhandel bereits 40 Prozent – doppelt so viel wie mit Südkorea. China kauft Rohstoffe und Mineralien und verkauft leichte Industriegüter. Haushaltsgeräte und Kleidung zum Beispiel sollen inzwischen auf vielen Märkten Nordkoreas zu erhalten sein.
Offiziell aber betont Nordkorea stets seine nationale Eigenständigkeit. Das Land will die Untertanen auch vergessen lassen, dass die Kim-Dynastie ohne die Hilfe der chinesischen Truppen im Koreakrieg vor fünfzig Jahren nie überlebt hätte. JUTTA LIETSCH