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Die Akademie der Besten

NACHWUCHSFÖRDERUNG Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen setzt auf ein neues Ausbildungskonzept, um junge InstrumentalistInnen fit für den hart umkämpften Markt der Orchestermusik zu machen

Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen mit ihrem Künstlerischen Leiter Paavo Järvi   Foto: Julia Baier/ dpa

von Andreas Schnell

Die Zeiten für klassische MusikerInnen sind nicht die besten: „Zwölf Prozent der Absolventen deutscher Musikhochschulen werden nach der Ausbildung von einem Orchester übernommen“, sagt Albert Schmitt, Geschäftsführer der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. „Junge Musiker müssen sich deshalb sehr selbstständig auf dem Markt orientieren. Gleichzeitig werden alle zu Solisten ausgebildet. Das ist eine sehr ungünstige Situation.“ Deswegen hat die Kammerphilharmonie Bremen jetzt eine Akademie für junge InstrumentalistInnen gegründet.

Zu den ohnehin schlechten Aussichten auf eine Stelle als BerufsmusikerIn kommt hinzu, dass Orchester in Deutschland mittlerweile einen schweren Stand haben. Vor 20 Jahren habe es hierzulande noch 160 von ihnen gegeben, heute seien es nur noch 130, sagt Schmitt. Er schätzt, dass auch das noch nicht das Ende der Entwicklung ist, weil sich die öffentliche Hand, die die meisten dieser Orchester mit bis zu 90 Prozent subventioniert, weiter aus der Förderung zurückziehen dürfte.

Die Deutsche Kammerphilharmonie in Bremen bildet in diesem Kontext ein erfolgreiches Gegenmodell. Hier liegt die Subventionsquote bei nur 30 Prozent. Die MusikerInnen sind nicht angestellt, sondern selbst Eigentümer des Betriebs. Und dabei sind sie offenbar recht erfolgreich darin, finanzielle Mittel einzuwerben.

Und dieses Know-how wollen die Kammerphilharmoniker zusammen mit ihren künstlerischen Fähigkeiten nun im Rahmen der Akademie der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen an die nächste Generation weitergeben.

Die Initiative dazu, erzählt Schmitt, sei aus dem Orchester selbst gekommen. „Die Akademie ist ein lang gehegter Wunsch, um die Fähigkeiten und das Wissen, das die Musiker über die Jahre erworben haben, weiterzugeben.“ Ein solches Projekt neben dem Tagesgeschäft eines international gebuchten Spitzenorchesters zu stemmen, war allerdings ohne Unterstützung kaum denkbar. Ermöglicht hat die Umsetzung nun die „Heinz-Peter und Annelotte Koch Stiftung“ aus Bremen.

Annelotte Koch, lange Jahre Chefin des Bremer Unternehmens Kaefer Isoliertechnik, war bis zu ihrem Tod der Kammerphilharmonie eng verbunden. „Als sie starb, kamen wir im Gespräch mit ihrem Sohn Ralf Koch darauf, wie man ihr Erbe und ihre Ideale weitertragen könnte“, sagt Schmitt. Da es Koch stets wichtig gewesen sei, über das Mittelmaß hinaus zu streben, sei die Idee einer Orchesterakademie endlich aktuell geworden.

Gleich 260 Bewerbungen gab es für den ersten Durchlauf, vier Stipendiatinnen kommen nun in den Genuss eines Stipendiums, zwei aus Deutschland, eine aus Japan sowie eine Deutsch-Irin.

Zwei Jahre lang werden sie jetzt ausgebildet und erhalten Einzelunterricht, Ensemblespiel und Kammermusik. Probespieltraining und die Vorbereitung von Orchesterprojekten stehen genauso auf dem Lehrplan wie die gezielte Vorbereitung der Orchesterprojekte hinsichtlich ihrer jeweiligen Stilistik.

Im Curriculum Generale werden die vier Akademistinnen in relevanten Themen außerhalb der Musik geschult. Das sind beispielsweise neben Körpertraining für Musiker vor allem strategische Aspekte des Marketings und Sponsorings sowie Musikvermittlung, Konzertplanung und Dramaturgie.

Die DozentInnen kommen aus den Reihen der Kammerphilharmonie. Der Unterricht findet an der privaten Jacobs University in Bremen-Nord statt, wo die Kammerphilharmoniker für ihr Projekt laut Schmitt die geeignete Haltung fanden: Einen hohen Anspruch in Lehre und Forschung, aber auch eine große Offenheit für Studierende aus aller Welt. „Wir glauben, dass sich das Klima an der Jacobs University günstig auswirkt“, sagt Schmitt.

„Junge Musiker müssen sich sehr selbstständig auf dem Markt orientieren. Gleichzeitig werden alle zu Solisten ausgebildet. Das ist eine sehr ungünstige Situation“

Albert Schmitt, Geschäftsführer der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen

Allerdings wird den Akademistinnen nicht nur Campus-Luft um die Nase wehen. Drei der vier Stipendiaten waren bereits mit der Kammerphilharmonie auf Tournee. Und da zur Ausbildung die Durchführung eigener Projekte gehört, wird auch das Bremer Publikum schon bald überprüfen können, wie gut die Stipendiaten sind. Schon im kommenden Sommer, sagt Schmitt, könnte es soweit sein.

Die Akademie der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen kooperiert mit der Jungen Deutschen Philharmonie mit Sitz in Frankfurt am Main. Dort versammelt sich die Elite der an deutschen Hochschulen studierenden InstrumentalistInnen zu jährlichen Arbeitsphasen. Mit dieser Kooperation will die Kammerphilharmonie Bremen sicherstellen, dass das alternative Ausbildungskonzept, das eine Lücke in der deutschen Hochschullandschaft schließen möchte, den besten StudentInnen in Deutschland zugänglich gemacht wird.

Damit schließt sich auch historisch ein Kreis, denn die Kammerphilharmonie Bremen ist vor 35 Jahren aus der Jungen Deutschen Philharmonie hervorgegangen.

Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen gilt als eines der international führenden Orchester. Künstlerischer Leiter ist seit 2004 der estnische Dirigent Paavo Järvi. Für seine innovative und engagierte Kultur- und Musikvermittlungsarbeit wurde das Orchester bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem „Echo Klassik“ für Nachwuchsförderung.

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