: Faule Äpfel, fruchtige Birnen?
Laut offiziellem Benchmarking-Bericht gibt Bremen viel mehr als andere Länder und Städte für Kultur aus. Besonders das Theater sei überdurchschnittlich gut bedacht. Die Datenbasis des Berichts gilt allerdings als äußerst fraglich
Bremen taz ■ Die Diskussion um das Bremer Theater hat eine neue Dimension erreicht. Nach den Vorwürfen, nicht ordentlich mit Geld umgehen zu können, steht nun im Raum, dass ihm grundsätzlich zu viel anvertraut werde. Grundlage hierfür ist der im Auftag der Staatsräte- Arbeitsgruppe „Haushalt“ erstellte Benchmarking-Bericht, der die entsprechenden Ausgaben überregional vergleichen will.
Fachleute wie Michael Söndermann, seit 15 Jahren Vorsitzender des in Bonn ansässigen Arbeitskreis Kulturstatistik, beurteilen das Papier allerdings mit großer Skepsis. Dessen Datenbasis nämlich – beim „Produktplan Kultur“ besteht er aus Statistischem Jahrbuch sowie dem Kulturfinanzbericht – sei völlig unzuverlässig. Letzterer ist für Söndermann sogar „Datenschrott“. Seine Konsequenz: „Man muss en detail in die einzelnen Haushalte steigen, um Vergleichbarkeiten festzustellen.“ Ein Beispiel: Städte, die ihre Theater als nachgeordnete Dienststellen betreiben, wiesen in ihren Haushalten den gesamten Bruttobetrag aus, GmbH-Theater – wie das am Goetheplatz – listeten hingegen nur den Zuschuss auf.
Bei aller Fraglichkeit zeichnet der Bericht ein durchaus gemischtes Bild von der Effizienz der Bremer Kulturlandschaft. Die Bibliotheken hätten überdurchschnittlich viele Nutzer, allerdings – nach Berlin – auch die höchsten Ausgaben pro Einwohner (32,4 Euro jährlich). Die VHS sei sogar Zuschuss-Spitzenreiter.
„In besonderem Maße überdurchschnittlich“ fielen die öffentlichen Ausgaben für Theater und Musik“ aus – mit 0,19 Prozent um vier Hundertstel Prozentpunkte höher als 1995. Andererseits würde das Haus „in stark überdurchschnittlichem Maß genutzt.“ Die Ausgaben würden aber „in überdurchschnittlicher Weise“ (zu 85 Prozent) durch öffentliche Zuwendungen finanziert, mit anderen Worten: Die Karten seien zu billig. Das erstaunlichste Ergebnis – Söndermann spricht von „verzerrtem Datenmaterial“ – ist der 31-prozentige Zuwachs aller Bremer Kulturausgaben zwischen 1995 und 2002. Söndermann hält das für eine Folge der „immer kreativeren Anstrengungen bei der Darstellung der Haushaltspläne“. Der Abschlussbericht der 1997 eingesetzten Strukturreformkommission des Bremer Theater etwa hielt fest, dass Bremen mit einem Theaterzuschuss von 0,9 Prozent des Gesamthaushalts (Vergleichsstädte zwischen 1,8 und 3 Prozent) „ein kulturpolitisches Problem“ habe. Freilich ein ganz anderes, als derzeit aus dem Benchmarking-Bericht gefolgert wird.
Ein weiteres Problem des Berichts: Obwohl er sich „Die bremischen Ressorts im Städte- und Ländervergleich“ nennt, listet er etwa im Kulturbereich ausschließlich Zahlen aus dem Ländervergleich auf. Stadtstaaten werden also mit Flächenländern verglichen, was insbesondere bei der kulturellen Nachfragestruktur wenig Sinn macht. Die Erklärung des Benchmarking-Berichts: Nehme man das Brutoinlandsprodukt (BIP) als Maßstab, ließen sich derartige Vergleiche durchaus ziehen. Söndermann hält dagegen: Grundsätzlich könne man Stadtstaaten nur mit andern hochverdichteten Ballungsräumen vergleichen. Auch der Umweg über das BIP sei keine taugliche Krücke für den allgemeinen Ländervergleich.
So liegt Bremen mit 148 Euro an öffentlichen Ausgaben pro Jahr (2002) und Einwohner unter dem Durchschnittswert der Stadtstaaten, jedoch deutlich über dem Bundesgebiet insgesamt, in dem ein Durchschnittswert von 87,1 Euro ermittelt wurde. Henning Bleyl