: Die bedingte Niederlage
Kölns Trainer Uwe Rapolder überzeugt als Militärhistoriker und Sonderarithmetiker, als Humanbiologe und Tiefenpsychologe. Sein FC aber verliert unglücklich gegen matte Bayern
AUS KÖLN BERND MÜLLENDER
Von mäßigem Unterhaltungswert ist es seit jeher, immer aufs Neue die akute Wackelamplitude eines schwankenden Trainerstuhls auszuloten. Gleichwohl passiert dies andauernd. Derzeit ist der Fokus auf jenen Holzkasten gerichtet, auf dem im Stadion zu Müngersdorf der Kölner Übungsleiter Uwe Rapolder hockt. Der 47-Jährige hat am Samstag zum sechsten Mal in Folge seine Schutzbefohlenen in eine Niederlage gecoacht. Und so wird weiter fleißig geargwöhnt ob und wie und wann, und wer danach kommen könnte, um gleich um seinen Job zu bangen.
1:2 hatte ein leidenschaftlich kämpfender FC gegen den Meister aus München verloren. Die Sieger speicherten den Erfolg unter „glücklich gewonnen“ ab, wie Trainer Felix Magath ohne Trübnis zugeben konnte. Nach Kölns überraschender Führung aus dem Nichts (Scherz, 28.) hatten die locker feldüberlegenen Münchner durch Lucio (54.) mit dem ersten gelungenen Schuss Richtung Tor ausgeglichen. Kaum hatte Ballack das 2:1 (74.) erzielt, hätten die Seinen jedoch, so Magath, „das Spiel preisgegeben“, „keine Ordnung mehr gehabt“ und seien „viel durcheinandergelaufen“. Der FC scheiterte mit vielen Chancen am eigenen Undusel.
Uwe Rapolder, dem quasi-intellektueller Konzeptfußball zugesprochen wird, hatte nach dem leblosen 3:6 in Frankfurt mit militärischem Vokabular einen alten Calmund-Satz repetiert: „Jetzt gilt: Stahlhelm auf und durch.“ Danach wurde er sogar zum Militär-Historiker: „Wie bei den Germanen vor 2.000 Jahren“ stelle sich die Situation, die hätten zuerst eine Schlacht verloren, ihre Wunden gepflegt und dann sei es erfolgreich im Teutoburger Wald „gegen die übermächtigen Römer“ gegangen.
Nach dem Spiel, in dem die FC-Germanen kurioserweise 11:3 Ecken gegen feldüberlegene Römer-Bayern hatte, wechselte Rapolder ins Fach Seelenkunde. Er sprach von „einem psychologisch anderen Hintergrund“, wenn man nicht auf Augenhöhe sondern gegen einen der Großen kämpfe. „Da wird bei jedem gewonnenen Zweikampf gejubelt wie sonst bei einem Tor.“ Und er schrieb seinen schreibenden Kritikern ins Stammbuch: „Jeden Tag sagen mir hier 25 Leute, was ich falsch mache. Wissen Sie, ich bin bald 50 Jahre und kann mich mit vielen Freunden unterhalten. Das reicht mir. Ich bin kein Experimentierfeld für tiefenpsychologische Ausflüge.“
Experimentell hatte der Schiedsrichter (Lutz Wagner) die Regeln interpretiert und wurde so zum Sündengeißbock: Der Bayern-Eckball nach 74 Minuten war nachweislich keiner, aber zwei Ballberührungen später (Eckstoß Deisler, Kopfballack) war der Siegtreffer erzielt. Und in der Schlussminute hatte Lucio eine Flanke nach Volleyballer-Art aus dem Strafraum geschmettert – um da kein regelwidriges Verhalten zu erkennen, lästerte FC-Manager Andreas Rettig, bräuchte man „schon viel Fantasie“. Rapolder wechselte erneut die Fakultät, jetzt in einem Grundkurs Humanbiologie: „Man muss wissen, dass es verschiedene Körperteile gibt, Hände zum Beispiel und Füße.“ Der Express sah es gestern schlichter: „Schiri klaut FC das Wunder!“
Und Kölns Hoffnungsträger? „Podolski trifft seine Zukunft“, hieß es vorher, weil der Jungstar am Saisonende vermutlich zum FC Bayern wechselt. Gegen seine Zukunft konnte er nie treffen, weil er kein einziges Mal das Tor anvisierte, sondern nur in den Tiefen des Mittelfelds wirkte. „Ich erwarte mehr von ihm. Das war für eine hängende Spitze zu wenig“, stichelte Rapolder. Lukas Podolski erklärte immerhin, er werde die Saison „auf jeden Fall bis zum Ende in Köln spielen“. Die Wechselgerüchte, dass die Demission schon im Winter erfolgen könne, bleiben dennoch.
Der FC Ruhmreich wird ein halbes Jahr längere Wartezeit verschmerzen können. Auch wenn er in der sportlichen Abteilung Attacke derzeit durchaus seine Probleme hat. Seit nunmehr 994 Minuten hat die einstige Tormaschine Roy Makaay jetzt nur noch danebengezielt. Der Holländers blutleere Vorstellung in Köln nährte nicht nur die offene Kritik von Karl-Heinz Rummenigge (“Er muss mehr arbeiten“) sondern auch die Vorstellung, dass seine Serie noch eine gute Weile halten könnte.
FC-Manager Rettig nahm „viele Kleinigkeiten, die Mut machen“, mit nach Hause. Dazu darf auch die spontane Schlusspfiff-Versammlung seiner Elf im Mittelkreis gehören, mit der sich die Kicker wie bei einer rituelle Beschwörung selbst Mut machten für die nächsten Kämpfe gegen die Römer aus Wolfsburg und Schalke. Trainer Rapolder ließ seine Gedanken noch ins Philosophische lappen: „Ich fühle mich nicht gestärkt, weil ich vorher nicht geschwächt war.“ Und er wurde sogar Sonderarithmetiker: Dieses 1:2 sei, weil gegen die Bayern, „nur bedingt als Niederlage zu werten.“ Die Abstiegs–angst bleibt indes – unbedingt.