LeserInnenbriefe
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Ihr Glaube ist der Terror

betr.: „Nach der Anschlagserie in Paris“, taz.de vom 14. 11. 15

Ich bin fassungslos. Der Terror ist ganz nah. Wie kommen diese Menschen dazu, so etwas zu tun? Ich glaube, diese Menschen haben selber Grausames erlebt. Ausgrenzung, nichts wert zu sein. Dann sollen andere Menschen auch nichts wert sein. Ihr Glaube ist der Terror. Damit tun sie sich, der Nachwelt, ihrem angeblichen Glauben und der Menschheit keinen Gefallen. Ihre Tat erzeugt Hass und den wollen sie wirklich. Bei Hass kann man nicht rational denken. Hass erzeugt wieder Gewalt und Gewalt erzeugt Hass, ein Kreislauf. Dass sie damit mehr zerstören, ist ihnen egal, sie wollen ihre Weltordnung – die Weltordnung des Hasses – auf uns übertragen. Geben wir ihnen nicht diese Macht, benennen wir ihr Problem der geistigen Impotenz, der Ausgrenzungen, die sie erlebt haben, und auch die Gewalt, deren Opfer sie wurden. Versuchen wir mit den Muslimen weiterhin im Gespräch zu bleiben, achten wir andere Religionen und Kulturen, lassen wir uns nicht auf den Hass ein. KONRAD FUMAGALLI, Bonn

Fairness und Gerechtigkeit

betr.: „Wir sind im Krieg“, taz.de vom 15. 11. 15

Ich weiß nicht, was der Ruf nach geschlossenen Grenzen oder strengerer Überwachung immer soll. Frankreich hat viel mehr Überwachungsmöglichkeiten und trotzdem passieren erneut solch schreckliche Anschläge. Dieser Terror kommt auch nicht unbedingt von außen, sondern über Internetpropaganda aus der eigenen Gesellschaft, ganz ähnlich wie der linksextreme Terror in den 70er und 80er Jahren in Europa. Die erfolgreichsten Hassprediger in Deutschland sind Pierre Vogel und Sven Lau, beides Biodeutsche.

Diesen Terror bekämpft man am erfolgreichsten mit möglichst wenig frustrierten Menschen in einer Gesellschaft und mit Fairness und Gerechtigkeit im internationalen politischen Miteinander. Mehr Druck auf Imperialisten in Ost und West, die arabischen Geldgeber des IS, die Despoten in Nahost, die Waffenexporteure und die wirtschaftlichen Ausbeuter. Nur, wenn wir unsere Werte endlich praktisch leben, werden wir allen Terroristen und Radikalen die Basis und den Nährboden für ihre Propaganda entziehen. MARKUS MEISTER, Kassel

Gegenseitige Gleichgültigkeit

betr.: „Wir sind im Krieg“, taz.de vom 15. 11. 15

Wieso sind in Solidarität mit den Pariser Opfern eigentlich nur Gebäude westlicher Städte wie New York und Montreal in den französischen Nationalfarben geschmückt, nicht jedoch die der muslimischen Welt? Liegt es daran, dass auch wir unsere öffentliche Beleuchtung nicht ändern, wenn im Nahen Osten Zivilisten einem Attentat zum Opfer fallen? Möglicherweise wird diese gegenseitige Gleichgültigkeit vom jeweiligen Gegenüber als klammheimliches „jeder wie er es verdient“ interpretiert, während sich unsere gemeinsamen Feinde ins Fäustchen lachen.

JOSEF ALKATOUT, Genf, Schweiz

Religiös, sozial, politisch

betr.: „ Merkels große Aufgabe“, taz.de vom 14. 11. 15

Der islamistische Terrorismus hat vor allem religiöse, soziale und politische Dimensionen. Ihn allein zu beschreiben als Angriff auf die westlichen Wertevorstellungen greift zu kurz. Die Strahlkraft, die der IS auf radikalisierte Muslime in westlichen Ländern ausübt, hat auch etwas zu tun mit der Unglaubwürdigkeit und Verlogenheit in der Haltung des Westens. Die Werte, die der Westen vorgibt zu vertreten, werden oft genug von ihm selbst verletzt oder opportunistischen Interessen geopfert. Insofern hat der Westen in der Vergangenheit bei der Verursachung der schweren Konflikte und Kriege im Nahen und Mittleren Osten eine ganz problematische Rolle eingenommen. Die Flüchtlingsströme wurden auch von Ländern mit freiheitlichen Überzeugungen mitverursacht.

Trotzdem führt kein Weg daran vorbei, die Prinzipien unserer gesellschaftlichen Vorstellungen klar zu benennen, zu verteidigen und ihre Beachtung auch von den Menschen zu verlangen, die von der Not getrieben in unser Land kommen. Erlaubt und notwendig ist dabei auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem Islam, der in seiner gesellschaftliche Praxis immer noch geprägt ist von Gewalt und der Verachtung Andersdenkenden gegenüber. Was wir in Deutschland unbedingt brauchen ist eine Integrationspolitik, die von den Werten der Verfassung bestimmt wird. GERD BECKER, Lüdinghausen

Populistischer Irrtum

betr.: „Der rote Faden“ von Robert Misik, taz vom 14./15. 11. 15

Danke an Robert Misik: Diese gute Beschreibung des zappeligen Gefühls, das einen ereilen kann, wenn da jemand von „unseren“ Werten spricht, aber mich offensichtlich gar nicht mitmeinen oder zur Kenntnis nehmen kann. Auch „wir“ teilen nur einen Teil der Werte, und es ist noch nicht ausgemacht, ob unter den „wirs“ die Schnittmenge größer ist als die von „wir“ und den Einwanderern. Misik hat diesen populistischen Irrtum nicht nur gut beschrieben, sondern sich zudem die Mühe gemacht, solche Werte für sich – existenziell – zu formulieren. Das ist intelligent und mutig. Bleibt vielleicht die versöhnliche Bemerkung an die Seehofers: Wir mögen einige Werte nicht teilen, aber wir leben dennoch in einem gemeinsamen Staat. Gell, wir schaffen das? MARKUS WURSTER, Schwäbisch Hall