: THEATER
TheaterEsther Slevogtbetrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Draußen ist es kalt. Da möchte man eigentlich einfach bloß noch in warmen Plüschsesseln verschwinden und nach vorne in einen schönen Guckkasten schauen. Der Nebenmensch ist sanft entschlummert und sein gleichmäßiges Atmen macht die Atmosphäre erst richtig rund. Solange einem sein Kopf nicht auf die Schulter fällt, zumindest. Denn vor dem Winterschlaf kommt der Theaterschlaf. Vielleicht also vorerst kein Mitspieltheater mehr in zugigen Ballhäusern oder Fabriketagen in diesen kalten Tagen.
Obwohl: Einen Termin muss man vielleicht doch noch dringend auf Tauglichkeit überprüfen! Er steht in dieser Woche auf dem Spielplan der Sophiensaele: der algorithmische Trip der Performer von Interobang nämlich, die das große und schwierige Thema „Big Data“ zum Gegenstand einer partizipativen Performance gemacht haben. „To like or not to like“ will den Theaterraum in einen gesellschaftlichen Mikrokosmos verwandeln. Bei jeder Vorstellung soll eine neue Datensammlung entstehen, erhoben aus Zuschauer*innen-Daten. Denn jede*r hat ein eigenes Mobiltelefon und kann über die Tastatur Bewertungen in einen Sozialcomputer eingeben. Fast wie im richtigen Leben also, bei Facebook und Co. (Sophiensaele: „To like or not to like“, 23., 24. & 28. 10., jeweils 19.30 Uhr).
Aber hier wurden ja eigentlich Plüschsessel versprochen und sehr bequem sind zum Beispiel die im Deutschen Theater. „Wintersonnenwende“ ist jahreszeitengemäß das neue Stück von Roland Schimmelpfennig überschrieben, das am 23. Oktober in der Inszenierung von Jan Bosse dort das Bühnenlicht erblickt. Uraufgeführt wurde das Werk Anfang dieses Jahres in Stockholm. Es wird im Stück natürlich nicht vom Wetter geredet und auch von Herbst und Winter nicht wirklich – selbst wenn die Geschichte kurz vor Weihnachten spielt und ein merkwürdiger Fremder lauter Gewissheiten sprengt, auf die man in dieser dunklen Jahreszeit stets so besonders gerne baut. Vermutlich ist das Stück auch noch nicht mal wirklich für guten Theaterschlaf geeignet, es sei denn, man steht auf heftige Albträume dabei: Denn Jan Bosse ist ein Regisseur, der weder den Stoffen, die er inszeniert, noch seinen Zuschauern etwas schenkt. Aber sehen Sie es sich besser selber an (Deutsches Theater: „Wintersonnenwende“, Premiere: 23. 10., 19.30 Uhr).
Und dann gibt es in der Schaubühne noch das neue Stück von Falk Richter, das er selbst uraufführen wird: „Fear“ heißt es und verhandelt das Leben in unserer aus den Fugen geratenen Welt. Auch das eher etwas für schlaflose Nächte als gesunden Theaterschlaf. Tut mir echt leid (Schaubühne: „Fear“, Premiere: 25. 10., 20 Uhr).
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