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Archiv-Artikel

„Keiner hat sich gekümmert“

Ein Film über Heimkinder in der Nazidiktatur

Renate Günther-Greene, 62

■ kommt aus der Werbebranche. „Die Unwertigen“ ist ihr dritter und längster Film. Foto: Justyna Feicht

taz: Frau Günther-Greene, was machte Menschen im Nationalsozialismus „unwertig“?

Renate Günther-Greene: Es war das NS-System selbst. Es macht zum Beispiel aus frühen Sexualkontakten „sexuelle Triebhaftigkeit“, Diebstahl wurde als als erbbedingt betrachtet, Lese- und Rechtschreibschwäche wurde oft als mittlerer Schwachsinn deklariert. So „verurteilt“ kamen die Kinder oft ins Heim.

Was passierte dort?

Die Kinder wurden misshandelt und mussten Zwangsarbeit leisten. Das ging bis in die 1970er Jahre. Es wurde auch nach Kriegsende oft nicht in Frage gestellt. Die Jugendlichen lebten weiterhin außerhalb der Gesellschaft in einer Nische. Keiner hat sich um sie gekümmert.

Kann ähnliches Heimkindern heute wieder passieren?

Nein, das ist heute anders. Es gibt eine neue Generation von Leitern, die damals waren ja oft alte Nazis. Aber selbst heute stellt sich die Gesellschaft nicht oft genug der Frage, warum ein Kind „schwierig“ ist. Man wird nicht schwierig geboren.

Wieso wurden auch Anhänger der Swing-Jugend verfolgt?

Die Swing-Kids passten nicht ins System. Jazz war politisch verboten. Keiner der Jugendlichen konnte damals vermuten, dass man fürs Swinghören ins Jugend-KZ gesteckt werden kann. Ab 1941 ist aber genau das passiert. INTERVIEW: LISA FRANKENBERGER

Filmvorführung und Diskussion mit Gerd Spiekermann (NDR), Werner Krebs (ehemaliges Swing-Kid) und Helfried Gareis (ehemaliges Heimkind), 19.45 Uhr im Koralle Lichtspielhaus, Kattjahren 1