: Ein Kartell für Nachwuchspolitiker
Über Monate haben NRW-Landesregierung und Parteijugend versucht, den Weg der Zuschüsse aus dem Landeshaushalt zu verschleiern. Nach Recherchen der taz wird jetzt endlich klar, wie das System funktioniert
DÜSSELDORF taz ■ Die Frage war ganz einfach: Wie viel Geld bekommen Jungsozialisten, Junge Union, Grüne Jugend und Junge Liberale aus dem Landeshaushalt? Doch antworten wollte niemand. Erst nach einem Antrag auf Auskunft laut Informationsfreiheitsgesetz liegen der taz nun die Zahlen vor: Und erstmals wird damit klar, wie das Selbstbedienungssystem funktioniert, das die Jugendorganisationen der im Landtag vertretenen Parteien zusammen mit Landesregierung und Parlament entwickelt haben.
Im Überblick: Die Abgeordneten in Düsseldorf beschließen mit dem Landeshaushalt auch darüber, wie viel Geld an die politischen Jugendverbände geht. Über die Verteilung dieses Geldes entscheidet der Ring Politischer Jugend als privater Verein, in dem sich die Jugendorganisationen zusammengeschlossen haben. Es gibt keine festen Kriterien dafür, wer wie viel bekommt – das machen die Vertreter von Jusos, Junger Union, Grüner Jugend und Julis unter sich aus. Die Landesregierung zahlt das Geld dann direkt an die Jugendverbände aus. Die Landesjugendämter – bei den Landschaftsverbänden angesiedelt – überprüfen schließlich die Verwendung. Diese Konstruktion über vier Ecken sorgt auch dafür, dass der Geldfluss völlig intransparent ist.
Die beteiligten Jugendorganisationen scheinen davon zu profitieren: Denn während die Abgeordneten zwischen 1999 und 2004 den Sozialhaushalt kürzten und viele Projekte um ihr Geld brachten, sind die Zuschüsse für die Bildungsarbeit der Parteijugend-Verbände gleichzeitig um 4,9 Prozent gestiegen.
Im direkten Zusammenhang mit der Nachwuchsförderung steht auch die Kürzung der Zuschüsse für Jugendfahrten zu Gedenkstätten wie Auschwitz: Im Haushalt 2004/2005 war geplant, dass die Zuschüsse für den Ring Politischer Jugend aus einem anderen Haushaltstopf gezahlt werden. „Kurz vor Torschluss“, erläuterte der SPD-Landtagsabgeordnete Bernd Flessenkemper Anfang 2004 in der taz, sei der Etatposten wieder in den Landesjugendplan rückübertragen worden. Dort musste schnell Geld gespart werden, die Wahl fiel unter anderem auf die Gedenkstättenfahrten. Eine Kürzung, die auf viel Widerstand stieß. Unter anderem zeigte sich der in Köln lebende Publizist Ralph Giordano erschüttert. Ein Jahr später stellte der Landtag zwar wieder 100.000 Euro für die Fahrten zur Verfügung – weniger als ein Drittel der Summe, die es bis 2003 gab.
Die Jugendverbände selbst betonten damals, sie hätten von der Kürzung der Gedenk-Zuschüsse nichts gewusst. Wenn es jedoch um die Erhöhung der eigenen Zuschüsse geht, scheint es enge Absprachen zu geben: Formal laufen die Entscheidungen des Landtags über den Haushalt und die des Rings Politischer Jugend über die Mittelverteilung zwar völlig unabhängig. So gab es im Jahr 1999 zum Beispiel 2,16 Millionen Mark für die Jugendverbände, davon erhielten die Jusos 47,6 Prozent, Junge Union 32,8 Prozent, Julis 11,1 Prozent und die Jungdemokraten 8,5 Prozent. Im Jahr 2000 blieb der Schlüssel unverändert. Doch als 2001 die Grüne Jugend aufgenommen wurde, erhöhte der Landtag das Budget um 100.000 Mark. Gleichzeitig änderte der Ring seinen Verteilungsschlüssel, sodass die 100.000 Mark komplett an die Grüne Jugend gingen und alle Altverbände exakt den gleichen Betrag wie zuvor erhielten. Zufall?
Die letzte Änderung des Verteilungsschlüssels erfolgte im Jahr 2004, nachdem die Jugendverbände der Parteien die Jungdemokraten ausgeschlossen hatten. Hauptgewinner war die Grüne Jugend, die ihren Anteil von 4,3 Prozent auf 9,5 Prozent mehr als verdoppeln konnte. Die Jusos erhalten derzeit 43,5 Prozent des Zuschusses von insgesamt 1,156 Millionen Euro. Die Junge Union bekommt 34,5 Prozent und an die Julis gehen 12,5 Prozent.
Die Missbrauchanfälligkeit dieses Finanzierungssystems zeigt sich im Vergleich mit Zuschüssen für politische Parteien. Denn sie bekommen einen festen Zuschuss für jede abgegebene Stimme und für jeden an sie gespendeten Euro. Die Berechnungsformel ergibt sich aus dem Parteiengesetz, der ausgezahlte Betrag wird veröffentlicht. Kungelei und Intransparenz ist dadurch weitgehend ausgeschlossen. Regelungen, die für den politischen Nachwuchs fehlen.
SEBASTIAN HEISER