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Archiv-Artikel

Studienmuffel Mann?

Viel weniger Männer als noch vor zehn Jahren sind an einer Uni eingeschrieben

„Frauen haben in Bezug auf Arbeitsbedingungen die höhere Leidensfähigkeit“

BERLIN taz ■ An deutschen Universitäten sind immer weniger Männer eingeschrieben. Waren vor zehn Jahren noch 1,1 Millionen männliche Studierende immatrikuliert, hatten sich im letzten Wintersemester rund 80.000 weniger eingeschrieben. Das teilte das Statistische Bundesamt gestern in Wiesbaden mit.

„Die Zahlen bedeuten jedoch nicht unbedingt, dass weniger Männer studieren als früher“, sagt Christoph Heine, Bildungsexperte vom Hochschul Informations System (HIS). Vielmehr sei es auch möglich, dass die Zahl der Immatrikulierten durch kürzere Studienzeiten gesunken ist. „Männer entscheiden sich vielleicht eher für kürzere Studiengänge an den Fachhochschulen“, sagte Heine. „Umfragen unter Abiturienten zeigen jedenfalls, dass bei beiden Geschlechtern die Studierfreudigkeit gleichbleibend hoch ist.“

Männermangel wird es an den Unis auch nach der neuesten Statistik nicht geben. Mit 52 Prozent stellen die Männer trotz des Rückgangs immer noch die Mehrheit der rund 2,2 Millionen Studierenden. In den letzten zehn Jahren ist ihr Anteil gegenüber den Frauen jedoch um 7 Prozentpunkte gesunken.

„Das liegt aber vor allem daran, dass es in den letzten Jahren eine starke Bildungsexpansion gegeben hat, mit der immer mehr Frauen an die Universitäten gekommen sind“, sagt Ilka Willand, Referentin für Hochschulstatistik beim Statistischen Bundesamt. Die Zahl der Studienanfänger ist in den letzten fünf Jahren deutlich gestiegen. Die meisten von ihnen sind weiblich.

Dass die Frauen an den Unis aufholen, könnte daran liegen, dass sie bereits in der Schule erfolgreicher sind. 45 Prozent der Frauen zwischen 18 und 21 Jahren haben Abitur. Bei den Männern sind es nur 39 Prozent. Entsprechend steigt die Zahl der Studentinnen.

Traditionell sind männliche Studenten bei den Geistes- und Kulturwissenschaften stark unterrepräsentiert. Daran hat sich auch im letzten Jahrzehnt nichts geändert. „Frauen wählen ihr Fach eher nach Neigung, Männer eher nach den Berufsaussichten“, sagt Ilka Willand. Hier liegt möglicherweise auch der Grund, warum sich immer weniger Männer für ein Medizinstudium interessieren. Der Anteil der männlichen Studierenden ist im Fach Medizin seit 1994 um 13 Prozentpunkte gesunken. Markus Stieg vom Prüfungsbereich der Medizinischen Fakultät Charité in Berlin sieht hierin einen Beleg für einen gesellschaftliche Entwicklung: „Immer mehr Frauen streben hochqualifizierte Berufe an.“

Allerdings könnte das sinkende Interesse der Männer auch andere Gründe haben. „Die Verdienstmöglichkeiten für Ärzte sind nicht mehr so attraktiv, und die schlechten Arbeitsbedingungen sind bekannt“, sagt Stieg. „Frauen haben hier offenbar die höhere Leidensfähigkeit.“

Betrachtet man allerdings die weitere Laufbahn der Medizinern, dreht sich das Mann-Frau-Verhältnis um. „Eine Frau, die eine Babypause eingelegt hat, macht keine Chefarztkarriere mehr“, sagt Stieg. Zudem sei die Medizin eine konservative Branche. Auch für manches Arztehepaar gilt daher: Er macht Karriere – und sie hütet trotz Facharzttitel zu Hause die Kinder. JAN PFAFF