: Keine Schritte gegen deutsche Firmen
Der UNO-Ermittler Mark Pieth kritisiert die bisherige Untätigkeit deutscher Ermittlungsbehörden und der Bundesregierung gegenüber Firmen, die nachweislich illegale Zahlungen an das Regime von Saddam Hussein im Irak geleistet haben
AUS GENF ANDREAS ZUMACH
Der UNO-Ermittler Mark Pieth, Mitglied der so genannten Volcker-Kommisison zur Untersuchung von Korruption und Missbrauch des UNO-Programms „Öl für Nahrungsmittel“ (ÖfN) im Irak, hat die bisherige Untätigkeit der deutschen Staatsanwaltschaften gegenüber 63 deutschen Firmen kritisiert. Diese haben im Rahmen des ÖfN-Programms Bestechungsgelder und illegale Preisaufschläge an das Regime von Exdiktator Saddam Hussein gezahlt und sich damit nach deutschem und internationalem Recht strafbar gemacht. In einem Interview mit dem ARD-Magazin „Monitor“ (heute um 21.45 Uhr) erklärte Pieth, es gebe „handfeste Hinweise“ auf illegale Zahlungen von Schmiergeldern und Preisaufschlägen durch deutsche Unternehmen. Er könne nicht nach vollziehen, dass die deutschen Behörden bislang keine Ermittlungen eingeleitet hätten. In ihrem letzte Woche vorgelegten Abschlussbericht habe die Volcker-Kommission alle Daten und Belege für die illegalen Zahlungen „quasi tellerfertig geliefert“, betonte Pieth.
Der Bericht dokumentiert Höhe, Datum und Empfänger der Schmiergeldzahlungen oder verbotenen Preisaufschläge, die die deutschen Firmen für Aufträge zur Lieferung humanitärer Güter im Rahmen des ÖfN-Programms zahlten. Die Staatsanwaltschaften in Deutschland müssten „jetzt anfangen und dem nachgehen“, forderte Pieth. Die Volcker-Kommission sei „bereit, den Ermittlungsbehörden die entsprechenden Bankunterlagen, Zeugen und Dokumente zu beschaffen“. Pieth mahnte die Behörden zur Eile, da die Volcker-Kommission ihr Büro Ende November schließen muss.
Die im Bericht der Kommission dokumentierten Zahlungen durch deutsche Firmen erfolgten fast ausnahmslos, nachdem Korruption im Ausland im Jahr 2000 auch nach deutschem Recht zu einem Straftatbestand wurde. Unabhängig davon sind diese Zahlungen auch ein strafwürdiger Verstoß gegen die völkerrechtlich verbindlichen Sanktionsbeschlüsse des UNO-Sicherheitsrats gegen Irak. Diese untersagten jegliche Finanzzahlung an das Regime von Saddam Hussein ausdrücklich. Das gilt auch für die Durchführungsregeln für das ÖfN-Programm.
Trotz dieser eindeutigen Rechtslage erklärten die Staatsanwaltschaften, die für die Firmensitze der 63 deutschen Firmen zuständig sind, bislang auf Anfrage entweder, das Verhalten der Unternehmen sei „nicht strafbar“ oder sie seien als Ermittlungsbehörde „territorial nicht zuständig“. Entsprechend argumentierte auch der Leiter des Arbeitsstabes „Globale Fragen“ im Bundesaußenministerium, Christian Much, am Freitag auf einer Veranstaltung in Dresden über die UNO und die internationale Verantwortung von Wirtschaftsunternehmen. Das Auswärtige Amt erhielt von der Volcker-Kommission bereits im November 2004 die Liste mit den 63 Firmen, deren Verhalten die Kommission aufgrund erster Verdachtsmomente und Indizien in der Folge akribisch untersuchte. Nach Ansicht von Pieth hätten „die deutschen Behörden längst die Möglichkeit gehabt zu recherchieren“.
Besonders ausführlich sind im Volcker-Bericht die illegalen Zahlungen der deutschen Konzerne DaimlerChrysler und Siemens dokumentiert. Umso verwunderter äußerte sich Pieth, dass die zuständigen Staatsanwaltschaften in Stuttgart und München erklärt hatten, die Beweislage sei „dünn“ oder man „müsse erst mal abwarten“. Der Fall DaimlerChrysler sei „derart klar“ und auch im Fall Siemens habe die Kommission „die Papierspur vollständig nachgewiesen“, betonte er. Die Staatsanwaltschaften sollten jetzt „die Unternehmen mit der Aktenlage konfrontieren“.
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