: „Er parodiert sich selbst“
Stoiber ist so verkrampft wie Merkel und soll mal locker werden, meint der bayerische Kabarettist Ottfried Fischer
INTERVIEW MAX HÄGLER
taz: Herr Fischer, wäre Edmund Stoiber nicht ein idealer Kandidat für ihre Kabarettsendung „Ottis Schlachthof“?
Ottfried Fischer: Na ja, ich glaube sogar, dass der Humor grundlegend da wär, der ist wohl lustiger, als er rüberkommt. Aber für einen ganzen Abend trägt das wohl trotzdem nicht. Und auch die Zuschauer hätten ein paar Probleme. Der Mann wirkt ja oft wie seine eigene Parodie. Gäbe es wenig Ähs, würde das Publikum glauben, das ist nicht der echte, gäbe es viele, genauso.
Und die erste Frage?
Ich würde ihm erst mal ein halbes Bier hinstellen, damit ma locker werden. Der hat eins mit der Merkel gemeinsam: Er kommt immer verkrampft rüber vor der Kamera.
Sie haben schon vor Tagen gesagt, dass der politische Krampf ein Ende nehmen wird, dass Stoiber in München bleiben wird. Woher diese treffsichere Eingebung?
Ganz blöd ist der ja auch nicht. Er hat gemerkt, dass er mit der Bundesliga nicht zurechtkommt als Regionalspieler. Er hatte Angst, entzaubert zu werden und seinen Heiligenschein zu verlieren. Und nicht zuletzt weiß ich aus dem familiären Umfeld, dass seine Liebe zu Berlin nicht die größte ist.
Und die Liebe der Bayern zu Stoiber, ist die noch so groß wie eh und je?
Die hat arg gelitten. Früher war sie beinahe grenzenlos. Jetzt sind fast alle sauer. Diejenigen, die wollten, dass er nach Berlin geht und nun wiedergekommen ist. Und diejenigen, die ihn immer dahaben wollten, dass er überhaupt einmal losgegangen ist.
Welche Rolle haben Günther Beckstein und Erwin Huber – die streitlustigen Nachfolgekandidaten – im Liebesspiel?
Bei dem Gezeter in den letzten Wochen haben die CSUler gelernt, dass man die Liebe öffentlich auf mehrere verteilen kann – nach Franken oder nach Niederbayern. Das gab’s früher nicht. Und es hat sich dabei mal wieder gezeigt, dass die bayerische Volkspartei eben Regierungspartei und Oppositionspartei in einem ist.
Den Bayern sagt man nach, sie seien stur, entschlossen und rechthaberisch. Ist Stoiber als typischer Gscheitmeier ein typischer Bayer?
Den alten Bayern ist er schon seit dem Kanzlerwahlkampf 2002 suspekt, als er sich vom Trachtenanzug verabschiedet hat. Und jetzt nach seinem Wankelmut in Berlin ist die Meinung über ihn nicht gewachsen – er hat Schwäche gezeigt. Und die Bayern mögen es überhaupt nicht, wenn man sie als schwach einschätzt.
Aber wird Stoiber jetzt nicht erst recht kräftig und entschlossen gscheitmeiern?
Der Ton aus München wird sicher schärfer werden, das Gekläffe wird weiter zunehmen. Stoiber muss jetzt Haltung wahren, muss zeigen, dass er auch weiterhin der eigentlich beste Wirtschaftsminister und Kanzler des Landes wäre. Er wird sicher versuchen, von München aus auf Merkel aufzupassen, und dabei wird der alte Spruch von den depperten Nordlichtern wieder herrschende Meinung werden hierzulande.
Klingt nach einer Neuauflage der 80er-Jahre, als Franz Josef Strauß aus München gegen die Bonner Regierungspolitik von Helmut Kohl wetterte.
Es ist eine ähnliche Konstellation, aber nicht ganz zu vergleichen. Bei Strauß war das Schöne, dass er klar erkennbar losgedonnert hat. Zwei Tage nach seiner Niederlage als Kanzlerkandidat 1980 hatte er die Ursachen ausgemacht und seinen Bayern den Gegner mitgeteilt: die CDU. Das war dann heiliger Glaubensinhalt, der im Freistaat unbestritten war. Stoiber dagegen muss sich auf die SPD berufen und tritt wegen denen zurück – wann waren die denn bisher wichtig für uns? Das ist ein ganz schwacher Auftritt.
Wird die Reise zum Papst helfen, wieder Stärke, Zucht und Ordnung ins christlich-soziale Leben zu bringen?
Ich kann mir gut vorstellen, dass die CSU-Oberen wissen wollen, wie man als christlicher Würdenträger beständig bis zum Tode Erfolg hat.
Herr Fischer, welchen Titel würden Sie dem Fernsehspiel geben, wenn das Hin und Her von Edmund Stoiber ein Film wäre? Nochwirtschaftsminister Wolfgang Clement hat das Gezerre von Beinahewirtschaftsminister Stoiber mit der „Lindenstraße“ verglichen.
Nicht schlecht. Ich würde aber eher sagen: „Verliebt in Berlin – die Braut wider Willen“.