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Archiv-Artikel

Abgehängt

Die „Seniorenbildung Hamburg“ wird 20. Wie lange sie noch existiert, weiß niemand. Seit einem Jahr kämpft sie ums Überleben: Die Bildungsbehörde hat ihr die finanziellen Mittel gestrichen

Von Kristina Allgöwer

Konzentriert sitzen Joachim Ahrens und Valentin Lorey vor dem Computer. „Hier müssen Sie auf ‚Datei‘ klicken und dann einen Ordner anlegen“, erklärt Lorey und zeigt auf den Bildschirm. Ahrens stöhnt. „Da komme ich nicht mit.“ Der Unterschied zwischen einer Datei und einem Ordner will einfach nicht in seinen Kopf. Nach 20 Minuten haben es die beiden dann aber doch geschafft: Ahrens hat einen Ordner mit drei Unterordnern angelegt und darin ein Dokument gespeichert. Er ist stolz. Joachim Ahrens ist 66 Jahre alt, sein Lehrer Valentin Lorey 72.

Der „SeniorenComputertreff“ ist ein Angebot des Vereins Seniorenbildung Hamburg, einem Zusammenschluss verschiedener kleiner Bildungsprojekte für Menschen ab 50. Jährlich besuchen rund 1.500 Hamburger die Veranstaltungen der Seniorenbildung, die in diesem Monat ihr 20-jähriges Bestehen feiert: Sie trainieren ihr Gedächtnis, lernen Englisch und Kreatives Schreiben, nehmen an Computer-, Mal- und Nähkursen teil und halten sich mit Qi-Gong und Nordic Walking fit. Das Programm ist zu 95 Prozent ausgelastet. Dennoch muss der Verein seit gut einem Jahr ums Überleben kämpfen. Die Bildungsbehörde hat ihm sämtliche finanziellen Mittel gestrichen.

Schlechtere Bedingungen

„Die Seniorenbildung ist den Sparmaßnahmen zum Opfer gefallen“, sagt Geschäftsführer Ralf Henningsmeyer. Die Stadt Hamburg habe ihm signalisiert, dass man „so etwas“ nicht brauche. Dabei war das Seniorenbildungswerk, aus dem der Verein hervorgegangen ist, erst auf Betreiben der Bildungsbehörde gegründet worden. Die Entscheidung kam plötzlich: Erst am 4. Juni vergangenen Jahres erfuhr Henningsmeyer durch ein Fax, dass die Behörde bis zum Ende des Monats alle Zahlungen einstellen werde. Diese beliefen sich jährlich auf 230.000 Euro und machten mehr als die Hälfte der finanziellen Mittel des Vereins aus.

„Unsere Arbeitsbedingungen haben sich seither drastisch verschlechtert“, sagt Henningsmeyer. Gehälter mussten eingefroren, Stellen gestrichen werden. Die Gefahr sei groß, dass die Qualität der Kurse darunter leide. Zwar hätten alle Stadtteilprojekte für Senioren gerettet werden können, allerdings nicht deren eigene Räumlichkeiten. Deshalb seien einige Teilnehmer bereits ausgestiegen. Auch die Kursgebühren musste der Verein erhöhen. „Das ist schade“, so Henningsmeyer, „weil wir damit die Klientel der weniger gut betuchten Senioren verlieren.“ Für Wohlhabende gebe es schon genug Angebote in der Stadt.

„Wir konzentrieren uns auf unsere Kernbereiche“, begründet der Sprecher der Bildungsbehörde Alexander Luckow die Einstellung der Finanzierung. „Das sind Kinder und Jugendliche.“ Alle anderen hätten die Kürzungen zu spüren bekommen. Inhaltlich sei die Bildungsbehörde zwar noch für die Seniorenbildung zuständig. Da derartige Projekte aber auch eine integrative Aufgabe erfüllten, würden sie von der Sozialbehörde finanziert. Diese zahlt jedoch nur für Seniorentreffs und nicht für die Bildung, weiß Irmgard Wolff, stellvertretende Vorsitzende des Landesseniorenbeirates. „Bildungs- und Sozialbehörde müssten sich zusammensetzen und überlegen, wo Schnittstellen sind“, so Wolff. Denn Bildung sei ein wesentlicher Teil der Integration.

Unverständnis bei Ämtern

„Die älteren Menschen wollen mithalten und mitreden“, sagt auch Ursula Barth-Deuß, die das Kursprogramm der Seniorenbildung Hamburg betreut. Die Stadt habe nicht verstanden, dass sie mittelfristig Geld spare, wenn die Senioren sich geistig fit halten. Von den Politikern hört sie oft, dass die Alten ja auch an der Volkshochschule lernen könnten. „Das ist aber nicht das Gleiche“, so Barth-Deuß. Kurse für Senioren seien didaktisch anders aufgebaut, gäben ein angemessenes Lerntempo vor und berücksichtigten Altersdefizite. Seit dem vergangenen Jahr müssen die Mitarbeiter des Vereins einen großen Teil ihrer Arbeitszeit darauf verwenden, Spenden zu sammeln und Drittmittel zu beantragen. Ob die Seniorenbildung im Jahr 2010 ihr 25-jähriges Jubiläum feiern kann, weiß Barth-Deuß nicht: „So weit gucken wir nicht in die Zukunft.“

Im „SeniorenComputertreff“ hat EDV-Neuling Joachim Ahrens ein Ziel: Er will im Internet surfen können. „Wer das nicht lernt, ist abgehängt“, sagt der Pensionär. Wenn in Zeitungen Webadressen für weitere Informationen angegeben werden, kann er damit nichts anfangen. Er weiß nicht, wie er Veranstaltungstipps mit einer Suchmaschine finden kann und die E-Mails seiner Enkel beantwortet. Noch nicht.

Informationen zur Seniorenbildung Hamburg unter ☎ 391 06 36