: Globalisierung der Klassik
SOMMERSYMPHONIK Heute beginnt im Konzerthaus das internationale Festival der Jugendorchester „Young Euro Classic“. Neben dem klassischen Repertoire wird auch neuer Musik viel Raum gegeben und das Konzept der musikalischen Fusion gepflegt
Wer hat Lust auf Hochkultur im August? Das sind offensichtlich viele, wie der anhaltend zuverlässige Erfolg des Festivals Young Euro Classic zeigt, das in diesem Jahr bereits zum sechzehnten Mal stattfindet und im Laufe von drei Wochen siebzehn Konzerte auf die Beine stellt. Es ist ein Großevent mit und für Orchester aus aller Welt – der Name „Young Euro Classic“ führt ein klein wenig in die Irre, auch wenn die überwiegende Mehrheit der angereisten jungen Ensembles aus europäischen Ländern stammt.
Die weiteste Reise haben in diesem Jahr die MusikerInnen des Guangzhou Youth Orchestra aus dem chinesischen Kanton vor sich, die am 15. August mit einem musikalischen Programm aus Werken der europäischen Moderne und zeitgenössischer chinesischer Komponisten auftreten.
Ein wenig unsicher schien es im Vorfeld, ob das Symphonieorchester der Tschaikowski-Musikakademie aus Kiew, angekündigt für den 14. August mit einem ukrainisch-russischen Programm, tatsächlich würde anreisen können. Aufgrund der angespannten politischen Lage gab es von der ukrainischen Regierung keinen Extra-Reisezuschuss.
Crowdfunding erfolgreich
Es fehlten daher 7.000 Euro, die die Berliner Veranstalter jedoch öffentlichkeitswirksam in einer Crowdfunding-Kampagne vom zukünftigen Konzertpublikum hereinholen konnten.
Da im letzten Jahr am Konzerthaus, dem angestammten Veranstaltungsort von Young Euro Classic, baulich gewerkelt wurde, hatte das Festival einmalig auf andere Orte ausweichen müssen.
Jetzt ist man zurück an der gewohnten Örtlichkeit – und wird, wie in den Jahren zuvor, sicherlich auch wieder das Publikum auf seine gefühlte physische Jugendlichkeit testen. Denn statt das Konzerthaus über den bequem zu beschreitenden Seiteneingang betreten zu können, was im normalen Betrieb üblich ist, wird das Publikum angehalten, Schinkels große, gleich in die oberen Stockwerke führende Freitreppe zu benutzen. Ob der Einsatz dieses Handicaps zu einer tatsächlichen Verjüngung des Konzertpublikums führt, kann ab heute überprüft werden, wenn das „Young Philharmonic Orchestra Jerusalem Weimar“ das Festival eröffnet. Dieses Ensemble repräsentiert kein bestimmtes Land, sondern setzt sich aus Studierenden der Musikhochschulen in Weimar und Jerusalem zusammen.
Zusammenführung ist überhaupt ein wichtiger Aspekt bei diesem Festival – auch die Fusion der sogenannten klassischen Musik mit anderen Stilrichtungen, programmatisch durchgeführt im „Klassik meets Jazz“-Programm vom Nils Landgren & c/o Kammerorchester am 21. August. Auch beim „Klassik meets Rock“-Abend des schwedisch-niederländischen „O/modernt“-Kammerorchesters am 8. August steht das im Vordergrund.
Wie immer wird das Programm eine runde Mischung aus Stücken des klassischen und romantischen Repertoires sowie aus neuen Werken zeitgenössischer KomponistInnen sein, darunter zahlreiche deutsche Erstaufführungen. Die Nationale Jugendphilharmonie der Türkei etwa hat ein neues Instrumentalwerk der türkischstämmigen Berliner Komponistin Sinem Altan im Gepäck, am 16. August zu hören.
Ein weiteres schönes Zeichen der Globalisierung und der kulturellen Fusion ist es, dass das European Youth Orchestra von einer Chinesin geleitet wird: Xian Zhang ist eine von nur zwei Frauen unter den DirigentInnen des Festivals. Auch die andere ist übrigens nicht „young Euro“, sondern ebenfalls Chinesin: Die erst 31-jährige Huan Jing wird das Orchester aus Guangzhou dirigieren.
Katharina Granzin
Young Euro Classic, 6. bis 23. August, Konzerthaus, www.young-euro-classic.de
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen