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Archiv-Artikel

Sprachdefizite vermasseln schulischen Erfolg

Die Pisa-Studie zeigt: Von allen Migrantenkindern schneiden die türkischsprachigen am schlechtesten ab. Bildungssenator Klaus Böger (SPD) macht dafür „Abkapselungstendenzen“ verantwortlich. Aus der Praxis kommen Vorschläge für verbesserte Förderung. Aber dafür fehlt mal wieder das Geld

Türkischstämmige Jugendliche schneiden bei der neuen Pisa-Studie am schlechtesten ab. So schlecht, dass die Verfasser der am Donnerstag veröffentlichten Erhebung für die berufliche Zukunft dieser jungen Migranten ziemlich schwarzsehen.

Auch für bereits in Deutschland Geborene: Rund die Hälfte der Kinder, deren Eltern aus der Türkei stammen, erreichte bei der Pisa-Befragung, die bundesweit an knapp 1.500 Schulen den Bildungsstand 15-Jähriger testete, lediglich das unterste Kompetenzniveau.

In Berlin ist der Anteil Türkischstämmiger unter den Zuwanderern besonders hoch: 35 Prozent der getesteten Jugendlichen mit Migrationshintergrund haben türkische Wurzeln, das sind insgesamt 8 Prozent der Befragten. Damit ist Berlin absoluter Spitzenreiter vor Bremen mit 26 Prozent.

Im Bundesvergleich äußerst niedrig ist dagegen die Zahl der aus der ehemaligen Sowjetunion stammenden Jugendlichen: Sie machten in Berlin gerade einmal 8,1 Prozent der Befragten mit Migrationshintergrund aus. Die zweitniedrigste Quote hat Hamburg mit 14 Prozent, Spitzenreiter ist Niedersachsen mit 37,9 Prozent. Dass sie im Pisa-Test erheblich besser als die türkischstämmigen Jugendlichen abschneiden, führen die Bildungsforscher auf den Umstand zurück, dass in diesen Familien wesentlich häufiger Deutsch gesprochen wird. Bei den aus der Türkei stammenden Familien machen sie dagegen einen Trend zum Türkischsprechen aus, der sich den Pisa-Ergebnissen zufolge negativ auf schulische Leistungen auswirkt.

„Abkapselungstendenzen“ machte Bildungssenator Klaus Böger am Donnerstag für diese Entwicklung verantwortlich. Mangelnde Sprachkenntnisse, aber auch „gewisse kulturelle Defizite“ führten systematisch zu Bildungsmisserfolgen und verhinderten Integration, sagte er der taz. Bei Sprechern türkischer Organisationen in Berlin führen solche Analysen zu resigniertem Achselzucken: Man könne den Zuwanderern wohl kaum verbieten, in den Familien Türkisch zu sprechen, sagt Safter Cinar vom Türkischen Bund. Eltern bräuchten stattdessen Förderung, um ihren Kindern von klein auf die Rahmenbedingungen bieten zu können, die für gute Bildungserfolge notwendig sind. Auch Ertekin Özcan, Vorsitzender des Türkischen Elternvereins, plädiert für eine frühere Förderung der Kinder und eine engere Zusammenarbeit mit den Eltern.

Betreuungseinrichtungen für Kinder zu „Elternzentren“ mit Bildungs- und Informationsangeboten „rund um das Thema Kind“ zu machen, das könne die Entwicklungschancen von Kindern aus bildungsfernen Familien enorm verbessern, meint auch Edith Giere. Sie leitet seit 20 Jahren die zweisprachige Kita VAK in Kreuzberg, wo Kinder im Alter von 1 bis 5 Jahren deutsch- und türkischsprachig erzogen werden. Unter den derzeitigen personellen Bedingungen seien solche Elternschulen aber nicht zu realisieren. Deshalb hätten viele Kinder schon bei der Einschulung erhebliche Defizite: „Bei Kindern, die zu Hause nicht gefördert werden, haben wir Probleme, sie schulfähig zu machen.“ Dass die es dann auch in der Schule nicht schaffen, so Giere, „das steht dann schon fest, wenn sie 4 sind.“ ALKE WIERTH