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Verknüpfte Schicksale an der slowenisch-italienischen GrenzeDas hölzerne Ding

Foto: Wolfgang Borrs

Erwachsen

von MartinReichert

Es ist nicht schön, wenn man im europäischen Ausland an einem Grab steht und verstehen muss, dass der Mensch, der hier liegt, von deutschen Soldaten erschossen wurde. Noch unschöner ist das, wenn es sich um den Großvater des Lebensgefährten handelt.

Das Grab befindet sich in einem kleinen Dorf an der slowenisch-italienischen Grenze, nur einen Katzensprung von Triest entfernt. Der Friedhof liegt direkt hinter dem Geburtshaus meines Lebensgefährten, und seine Mutter liegt nun auch dort, neben ihrem von Deutschen erschossenen Vater. Sie war fünf Jahre alt, als er zusammen mit anderen Partisanen ermordet wurde.

In der Region ist es üblich, Fotografien der Verstorbenen auf dem Grabstein zu platzieren, und dann starrt man auf das Foto eines noch jungen Mannes mit dichtem schwarzen Haar und man weiß nicht, was man sagen soll. Auch wenn die eigenen Großväter zwar Wehrmachtssoldaten, aber niemals in Slowenien oder Italien gewesen waren, sondern in Russland, wo sie ums Leben kamen.

Wir sind beide zu jung, um uns in dieser Hinsicht etwas vorzuwerfen oder einander gram zu sein, sind mehr an der Liebe als am Krieg interessiert. Und doch ist da eine seltsame Verknüpfung der Lebensschicksale, die nicht recht zu fassen ist. Wenn da nicht dieser Gegenstand aufgetaucht wäre: Das hölzerne Ding. Mein Lebensgefährte fand es im Schuppen, als er zuletzt seinen Vater in Slowenien besuchte. Es ist ein kleines Brett, das an einem Ende eine halbrunde Ausbuchtung aufweist und am anderen Ende auf einem kleinen hölzernen Steg steht. Ein deutscher Soldat habe es als Dankeschön für Kost und Logis für die Großeltern angefertigt; sie waren verpflichtet gewesen, ihn aufzunehmen und er hatte versucht sich erkenntlich zu zeigen. Bei dem hölzernen Ding handelt es sich um einen sogenannten Stiefelknecht, eine Ausziehhilfe für Militär- und Arbeitsstiefel. „Ich habe damit als Kind immer gespielt“, erzählte meine Lebensgefährte über Skype, „aber ich wusste nie so richtig, was das ist.“ Nun hatte er seinen Vater gefragt.

Mit einem solchen Stiefelknecht hatte auch ich als Kind gespielt. Mal diente er als Anlegestelle für ein Piratenschiff, mal diente er mir als Hocker oder gar als eher statisches Surfbrett. Der Stiefelknecht hatte meinem Großvater gehört – und ich hatte als Kind auch weder verstanden, was man mit dem hölzernen Ding eigentlich anstellt, noch wo meine Großväter abgeblieben waren.

Als mein Lebensgefährte zurück in Deutschland war, besuchten wir eine Familienfeier, die Gaststätte befand sich auf einem Berg mit Blick auf Rhein und Mosel, man konnte das „Deutsche Eck“ erkennen. Auf der Feier waren Deutsche, Kroaten, ein Slowene, Spanier, Belgier – ergänzt durch eine Schar kleiner Kinder, die in schönster Esperanto-Kakophonie durcheinander plapperten, mal in dieser, mal in jener Sprache. Meinen Eltern und deren Geschwistern merkte man einen gewissen Stolz ob dieser Familienverfasstheit an. Oder war es eher Erleichterung? Die Erleichterung von Kriegs- und Nachkriegskindern, dass so etwas wie Frieden möglich sein kann.

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