Sparen um den Preis der Gesundheit

Mit massiven Kürzungen vor allem im Gesundheitssystem will der republikanisch dominierte US-Kongress das riesige Haushaltsdefizit in den Griff bekommen. Außerdem soll im Naturschutzgebiet in Alaska nach Öl gebohrt werden dürfen

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

Der US-Senat hat am Donnerstag mit knapper Mehrheit umfassende Kürzungen bei Sozialprogrammen sowie die Aufhebung eines seit Jahrzehnten bestehenden Verbots von Ölbohrungen in einem Naturschutzgebiet in Alaska beschlossen. Die Entscheidung fiel am Donnerstag mit 52 zu 47 Stimmen. Das Haushaltsgesetz ist das umfassendste Sparprogramm des Bundes seit fast einem Jahrzehnt.

Das Sparpaket soll, so der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Senats, Senator Judd Gregg, ein Republikaner aus New Hampshire, rund 35 Milliarden US-Dollar innerhalb der kommenden fünf Jahre einsparen. Gekürzt werden soll in den Bereichen Gesundheit, Landwirtschaftszuzahlungen und Studentenkredite.

Demokraten befürchten, dass die erzielten Einsparungen vernichtet und damit das Haushaltsloch vergrößert werde, wenn die Republikaner wie geplant Ende des Jahres eine 70 Milliarden Dollar schwere Steuerkürzung durchsetzen sollten. Der demokratische Minderheitsführer im Senat, Harry Reid, nannte das Budget „ein unmoralisches Dokument“, das „arme Amerikaner schädige, nur um der Elite des Landes, der republikanischen Klientel und den Multimillionären weitere Steuergeschenke machen zu können“.

Kommende Woche soll auch im Repräsentantenhaus über ein noch umfangreicheres Sparpaket abgestimmt werden. Die Republikaner haben hier ein knapp 54 Milliarden Dollar umfassendes Kürzungsprogramm zusammengestellt, inklusive des Freischeins für Ölbohrungen in Alaska. Insbesondere darüber ist das Repräsentantenhaus zerstritten; rund zwei Dutzend Republikaner sind gegen die Ölförderung in Alaska. Die Befürworter argumentieren, dass dies der nationalen Sicherheit diene, rund 700.000 Jobs schaffe und dem Haushalt bis zu 2,4 Milliarden Dollar bringe.

Ein kleiner Teil der Einsparungen soll für die Opfer des Hurrikan „Katrina“ verwendet werden. Hingegen würden die Kürzungsvorschläge des Repräsentantenhauses vor allem ärmere US-AmerikanerInnen treffen. Darin vorgesehen sind bis zu 48 Milliarden Dollar Kürzungen (bis 2015) bei Medicaid und Medicare, zwei grundlegenden Gesundheitssystemen. Gesundheitsexperten des Familienzentrums der Universität Georgetown schätzen, dass rund 6 Millionen Kinder von den Kürzungen betroffen wären und keine Krankenversicherung mehr bekämen.

Die vom Senat freigegebenen Bohrungen im Arctic National Wildlife Refuge sind ein Kernstück der energiepolitischen Pläne von Präsident George W. Bush. Mehr Öl im eigenen Land zu fördern helfe, so Bush, Benzinpreise und Heizkostenrechnungen zu senken.

Das Arctic National Wildlife Refuge im Nordosten von Alaska ist das nördlichste Naturschutzgebiet der USA. Die rund 80.000 Quadratkilometer sind Lebensraum zahlreicher Vogel-, Fisch- und Säugetierarten. Unter dem Gebiet werden 10,5 Milliarden Barrel (das Fass zu 159 Liter) Öl vermutet. Umweltschützer kämpfen seit Jahrzehnten gegen die Öffnung des von ihnen als „Serengeti Nordamerikas“ bezeichneten Gebiets für Ölbohrungen. Das Gebiet war 1960 vom damaligen Präsidenten Dwight D. Eisenhower unter Schutz gestellt worden, um das einzigartige Ökosystem zu bewahren. Pläne, die Öl- und Gasvorkommen auszubeuten, scheiterten wiederholt, unter anderem in den 70er-Jahren am damaligen Präsidenten Jimmy Carter, der das Schutzgebiet sogar vergrößerte, und in den 90er-Jahren an Präsident Bill Clinton.

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